Am 22. Oktober wählt die Schweiz. Ein Jahr zuvor versprachen die Chefs aller Parteien im Blick, dass die nächsten Wahlen zu Frauenwahlen werden. Heute liegt der Anteil weiblicher Politikerinnen im Nationalrat bei 42 Prozent und im Ständerat bei 26 Prozent.
Das von Frauen aus verschiedene Parteien getragene Projekt «Helvetia ruft!» hat die Parteichefs und -chefinnen zu Wetten überredet. Wetten, die dafür sorgen sollen, dass die Schweizer Politik noch weiblicher wird.
Wenige Monate vor der Wahl zieht «Helvetia ruft!» eine erste Zwischenbilanz. Denn mittlerweile haben zahlreiche Kantone ihre Kandidatinnen und Kandidaten nominiert. Besonders die bürgerlichen Parteien müssen Gas geben, damit das «Helvetia ruft!»-Ziel von einem Parlament, das zur Hälfte von Frauen regiert wird, erreicht werden kann.
FDP hat Luft nach oben
FDP-Chef Thierry Burkart (47) muss sich sputen, damit er seine Wette nicht verliert. Er gab der FDP-Frauen-Präsidentin Susanne Vincenz-Stauffacher (56) das Wort darauf, dass er es schaffe, den Frauenanteil in der liberalen Fraktion auf 40 Prozent zu erhöhen. Eine Herausforderung: Heute beträgt der Frauenanteil gerade einmal 29 Prozent. Damit die FDP dies schafft, müsste etwa in fünf Kantonen eine Frau anstelle des bisherigen männlichen Amtsinhabers gewählt – oder zahlreiche Sitzgewinne mit Frauen erzielt werden.
Gemäss heutiger Sicht reicht die bisherige Listengestaltung dafür wohl nicht aus. Gerade in grösseren Kantonen wie Zürich, Luzern oder Aargau liegt der Anteil von kandidierenden Frauen bei der FDP unter 40 Prozent.
Mitte ist auf Kurs
Mitte-Präsident Gerhard Pfister (60) versprach ebenfalls mehr Kandidatinnen. Und noch mehr: Die besten – also obersten – Listenplätze sollen zur Hälfte mit Frauen besetzt werden. Das heisst: Frauen hätten die besten Wahlchancen, und selbst wenn es dennoch nicht klappt, wären sie in der Poleposition, um bei einem allfälligen Rücktritt nachzurutschen. In 16 Kantonen wurde das Ziel erreicht, in vier nicht.
SVP mit bescheidenem Ziel
SVP-Präsident Marco Chiesa (48) wettete mit den SVP-Nationalrätinnen Céline Amaudruz (44) und Diana Gutjahr (39), dass die SVP schweizweit mit mehr Kandidatinnen antreten wird als 2019. Besonders schwer ist das nicht – bei den letzten Wahlen waren gerade einmal 22 Prozent aller SVP-Kandidierenden weiblich. Nachdem 19 Kantone bereits ihre SVP-Listen erstellt haben, beträgt der Frauenanteil darauf 26 Prozent. Ganz zufrieden ist «Helvetia Ruft!» dennoch nicht. So tritt die stärkste Partei etwa in Zug mit einer reinen Männerliste an.
SP hat kein Problem mit Frauenförderung
SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer (34) wettete darauf, die Listenplätze wie bisher zur Hälfte an Frauen zu vergeben. In 20 Kantonen stehen die Listen der SP bereits, da wurde das Ziel erfüllt. Von den 220 für das Bundeshaus nominierten Personen der SP sind zur Zeit 55 Prozent Frauen. Im Kanton Neuenburg etwa kandidieren neben dem bisherigen Baptiste Hurni (37) nur Frauen.
Grüne, EVP und GLP haben fast gleichmässiges Verhältnis
Grünen-Chef Balthasar Glättli (51) und GLP-Präsident Jürg Grossen (53) versprechen ihren jeweiligen Wettpartnerinnen Maya Graf (61) und Kathrin Bertschy (43), dass die grüne und grünliberale Politik im Bundeshaus auch künftig mindestens zu 50 Prozent von Frauen bestimmt wird. Der Ehrgeiz ist bescheiden, denn die Grünen haben schon heute einen Frauenanteil von über 60 Prozent im National- und Ständerat. Der aktuelle Frauenanteil bei den Nominierten ist auch heuer über 50 Prozent.
Anders bei der GLP: Von den 169 Menschen, die für die Grünliberalen ins Bundeshaus wollen, sind momentan nur 48 Prozent Frauen. In Schaffhausen konnte die Partei keine Frau finden, die sich interessiert.
Und auch EVP-Präsidentin Lilian Studer (45), deren Partei in der Mitte-Fraktion politisiert, will mit mindestens mit 40 Prozent Frauen antreten, wettete sie. Das Wettversprechen wird sie wohl gewinnen. Der Frauenanteil der bereits nominierten Listen der EVP beträgt heute 53 Prozent.