«Keine Frührentner-Truppe»
Juso-Flügel will jungen Bundesrat

Bisher kandidiert erst die ältere Garde. Ehemalige Juso-Mitglieder fordern nun, dass die SP junge Personen aufs Ticket setzt.
Publiziert: 24.09.2023 um 00:47 Uhr
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Aktualisiert: 26.09.2023 um 09:57 Uhr
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Die Präsidentin der SP-Frauen und ehemalige Juso-Präsidentin Tamara Funiciello ist mit der Auswahl der derzeitigen SP-Bundesratskandidaten nicht zufrieden.
Foto: Keystone

Mehr Kameras als bei Matthias Aebischer (55), mehr Mikrofone als bei Daniel Jositsch (58). Und mehr Journalistinnen und Journalisten, als im Saal Platz finden: Kein Zweifel, hier tritt gleich der Favorit der SP im Rennen um die Nachfolge von Bundesrat Alain Berset (51) auf. Dann erscheint Beat Jans (59)– und bestätigt: «Ich bewerbe mich als Bundesrat.»

Mit ihm sind es vier Männer über 50, die für die Sozialdemokraten in den Ring steigen. Jans, der weit jünger wirkt als 59, ist der älteste. Wird er gewählt, erreicht er kurz nach der ersten Amtsperiode das Pensionsalter.

Wie lange hätte er denn vor, zu bleiben? «Ich höre nicht auf, bevor ich angefangen habe», lacht Jans die Journalistenfrage weg. Er sei fit und fühle sich bereit.

Zudem, fügt der neue Kandidat an, wisse er durchaus, was Jugendliche bewege. Zuhause hat er zwei Töchter im Teenageralter. Als Kulturminister setzt er sich für mehr Jugendkultur ein, in seiner Freizeit spielt er Schlagzeug und hört den Basler Rapper Black Tiger.

Jans, Jositsch, Aebischer – und als Vierter im Bund der Basler Mustafa Atici (53): Trotz Jans’ Jugendlichkeit vermag keiner aus dieser Auswahl die zahlreichen Ex-Jungsozialisten zu begeistern, die mittlerweile in Bundesbern politisieren. Der Juso-Flügel will keinen Bundesrat, «der aus Frührentnern besteht», wie es ein Mitglied formuliert.

Tamara Funiciello (33), Ex-Juso-Chefin, sagt es so: «Ich fände es wichtig, dass die Fraktion eine jüngere Person nominiert.» Der Altersdurchschnitt im Bundesrat liege derzeit bei mehr als 60 Jahren. «Das ist nicht repräsentativ für die Schweizer Bevölkerung.»

Auch Fabian Molina (33), ehemaliger Juso-Chef, bemängelt: «Nach dem Rücktritt von Alain Berset ist Albert Rösti mit 56 Jahren der jüngste Bundesrat. Zwei ganze Generationen sind nicht im Bundesrat vertreten.»

Wie zum Beweis, dass sich Jugendlichkeit und Kompetenz nicht ausschliessen, verweist Molina auf Gesundheitsminister Berset. Dieser war bei seiner Wahl 39 Jahre alt. Molina: «Er wurde ein ausgezeichneter Bundesrat.»

Mit ihrer Stellungnahme bereitet die Juso-Truppe das Feld für einen Kandidaten aus den eigenen Reihen vor. Denn nebst Molina und Funiciello liebäugeln weitere prominente ex-Juso-Mitglieder mit einer Kandidatur. Co-Parteipräsident Cédric Wermuth (37) denkt bereits darüber nach, Co-Präsidentin Mattea Meyer (35) behält sich die Möglichkeit ebenfalls offen. Und auch der als pragmatisch geltende Bündner Jon Pult (38) ist weiterhin im Rennen.

Der Anspruch des Juso-Flügels kommt nicht von ungefähr. Die Jungpolitiker haben in den letzten Jahren mehrere Schlüsselpositionen übernommen. Sie führen nicht nur die Partei, sondern besetzen mit Samira Marti (29) – Ex-Kandidatin für das Juso-Präsidium – auch den Posten der Co-Fraktionschefin.

Jositsch unbeliebt

Klar ist: Die Wahl eines Daniel Jositsch würde in ihren Reihen auf wenig Gegenliebe stossen. Sein Verhalten während der letzten Bundesratswahl – er nahm in Kauf, auf Kosten einer Frau gewählt zu werden – hat man ihm nicht verziehen.

Allerdings stellt die Juso-Fraktion keineswegs die Mehrheit der SP-Politiker. Und so gibt es bei den Genossen auch zahlreiche Stimmen, die im Alter nicht das entscheidende Kriterium für eine erfolgreiche Bundesratskandidatur sehen.

Nationalrätin Priska Seiler Graf etwa sagt: «Für mich ist es wichtiger, dass sich die Person für dieses Amt eignet und über das nötige Format verfügt.» Zudem findet Seiler Graf es nicht schlecht, wenn man über eine gewisse Lebenserfahrung verfüge. Als Zürcher Parteipräsidentin unterstützt sie Jositschs Kandidatur.

Offen ist auch, ob das Parlament einen jungen Kandidaten mit Juso-Hintergrund wählen würde. Die Begeisterung der vornehmlich älteren, konservativen Ständeräte dürfte sich in engen Grenzen halten. Und auch im Nationalrat besteht eine gewisse Skepsis. Zugleich zeigt die Wahl von Elisabeth Baume-Schneider (59): Bei den Bundesratswahlen spielen viele Überlegungen mit. Und sei es, dass man eine stärkere Kandidatin verhindern will.

Verunsicherte Männer

Die Frauenfrage hingegen spielt dieses Mal eine untergeordnete Rolle. Zwar rufen die SP-Frauen ihre Parteikolleginnen dazu auf, zu kandidieren. Gehandelt werden nebst Mattea Meyer auch die Berner Regierungsrätin Evi Allemann (45), die sich bereits für die Nachfolge von Simonetta Sommaruga (63) ins Spiel gebracht hatte. Ob die beiden wirklich kandidieren werden, ist aber offen.

Die SP hat vielmehr gute Gründe, dieses Mal auf Männer zu setzen. Einer davon: Die Partei wird zunehmend als Frauenpartei wahrgenommen. Stellen die Sozialdemokraten nur Frauen im Bundesrat, könnte dies SP-Politiker und -Wähler abschrecken. Denn von denen könnte mancher auf den Gedanken kommen, dass Männer in dieser Partei kaum eine Chance auf höchste Ämter haben.

Jungpolitiker Fabian Molina bringt diese Überlegungen auf den Punkt, wenn er sagt: «Die SP ist eine Partei für alle.» Mit anderen Worten: Eine Partei für Frauen und Männer.

Ob sie auch eine Partei für junge Bundesräte ist, dürfte sich bei der Nomination erweisen. An Beat Jans gibt es so leicht kein Vorbeikommen – Alter hin und oder.

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