Arbeiten, wo andere Ferien machen: Das gilt für die neue Schweizer Vatikan-Botschaft ganz besonders. Die Räumlichkeiten sind sieben Gehminuten vom Vatikan entfernt. In dem Haus ist auch der Senegal zu Gast. Und wer ganz oben klingelt, landet bei Gästezimmern, die man mieten kann: «Roof top St. Peter».
Auch die Schweiz ist beim Vatikan zur Miete. Das Gebäude gehört dem Dikasterium für die Evangelisierung. Die Vatikan-Behörde hiess früher «Propaganda Fide», Verbreitung des Glaubens. Pro Jahr zahlt die Schweiz dem Vatikan 54'000 Euro Miete.
Für Bundesrat Ignazio Cassis (62) ist es ein wichtiger Termin. Als Bundesrat. Als Tessiner. Als Katholik. Die letzte Botschaft, die er eröffnet hat: jene in Minsk (2020). In Belarus regiert Diktator Lukaschenko mit eiserner Hand. Wenig Glamour, viele Probleme.
In Rom ists genau umgekehrt. Am Donnerstagabend laden Schweizergarde und Schweizer Botschaft gemeinsam in den Ehrenhof der Schweizergarde ein. Das diplomatische Korps ist begeistert.
Ähnliche Diplomatie wie die Schweiz, weniger internationaler Druck
Die Diplomatie des Heiligen Stuhls hat grosse Ähnlichkeiten mit der Schweizer Neutralität. Ignazio Cassis zitiert zur Eröffnung der Botschaft Papst Franziskus. Der hat unlängst in einem Interview mit dem Tessiner Fernsehen gesagt, die Schweizer Neutralität sei «kein destilliertes Wasser, kein ständiges Händewaschen».
Was meint der Papst damit? «Etwas sehr Positives», sagt der Diplomatie-Kenner Jörg Ernesti. Zwar spreche die vatikanische Aussenpolitik eher von Überparteilichkeit als von Neutralität. Letztlich verfolgten die Schweiz und der Heilige Stuhl eine ähnliche diplomatische Strategie: «Der Papst steht über den Parteien, da er sich als eine moralische Stimme versteht. Aber er ist nicht neutral, wenn Menschenrechte verletzt werden. Und er bemüht sich um Ausgleich und Vermittlung.»
Anders als die Diplomatie des Heiligen Stuhls steht die Schweizer Diplomatie unter Druck. Vor allem Nato-Mitgliedsländer finden, die Eidgenossenschaft tue zu wenig für die Ukraine. Auch der ukrainische Botschafter beim Heiligen Stuhl, Andrii Yurash (54), sieht die Politik der Schweiz kritisch. Etwa bei Kriegsmaterial für die Ukraine, das Berlin wegen Bern nicht liefern darf. Oder bei der Oligarchen-Taskforce, wo die Schweiz nicht Mitglied werden will.
Neutralität trifft nicht überall auf Ablehnung
Ist der Papst der einzige Schweiz-Versteher? Bundesrat Ignazio Cassis widerspricht: «Die meisten Länder auf dieser Welt, auch die westlichen Länder, haben durchaus Verständnis für die Neutralität der Schweiz.»
Auch beim italienischen Aussenminister Antonio Tajani (69) stösst Ignazio Cassis auf verständnisvolle Ohren. Tajani stellt klar: Die Welt brauche neutrale Länder wie die Schweiz, um Konflikte zu lösen.
Später sagt Ignazio Cassis, all das sei für ihn keine Überraschung. Es gebe eine doppelte Realität: «Eine mediale Realität und eine diplomatische Realität.» In der diplomatischen Realität sei klar: «Die Einzigartigkeit der Schweiz ist im Interesse der Welt und der Weltgemeinschaft.»