Schweiz-Vatikan
Was Berset dem Papst sagen sollte

Publiziert: 23.04.2023 um 02:05 Uhr
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Aktualisiert: 22.04.2023 um 23:38 Uhr
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Foto: AP
Raphael Rauch

Staaten haben keine Freunde, nur Interessen. Das gilt auch für den neuen Honeymoon zwischen Eidgenossenschaft und Vatikanstaat.

Ja, es ist sinnvoll, dass die Schweiz nun eine eigene Botschaft beim Papst hat. Nicht aus Liebe zum Papst, sondern weil gute Beziehungen zum Heiligen Stuhl für die neutrale Schweiz von Interesse sind. Die Diplomatie des Vatikans ist berühmt wie berüchtigt.

Als Russland 2022 die Ukraine angriff, blieb der päpstliche Nuntius als einer der wenigen Botschafter in Kiew. Der Heilige Stuhl hat einen offiziellen Botschafter in Taiwan. Peking spielt am Südchinesischen Meer mit dem Feuer – da zählt jeder Gesprächskanal.

Reicht das? Nein! Trotz allen Frühlingsgefühlen zwischen Rom und Bern dürfen die Grossbaustellen nicht vergessen werden. Der Heilige Stuhl behauptet, sich weltweit für die Menschenrechte einzusetzen. Das stimmt, etwa beim Kampf gegen die Todesstrafe. Doch sobald es um Genderfragen geht, zückt Rom die Rote Karte.

In Uno-Organisationen – von Genf bis New York – gehen Papst-Gesandte häufig unheilige Allianzen ein. Etwa mit Russland, der Türkei, Indonesien und anderen autoritären Staaten.

Doch auch sonst gibts wenig Anlass zu Romantik. Rom verletzt jeden Tag Schweizer Gesetze. Gleichberechtigung ist für die Papst-Kirche ein Fremdwort: Nach wie vor dürfen Frauen weder Bischöfin noch Priesterin werden. Die katholische Kirche redet viel von Schöpfung und Natur, hat aber nach wie vor ein Problem mit Sex. Die Schweizer Bischöfe sind nicht bereit, Seelsorgerinnen und Seelsorger allein nach professionellen Kriterien einzustellen. Und bei der Aufarbeitung des Missbrauchskomplexes gehen die Schweizer Bischöfe alles andere als entschlossen vor.

Der Bundesrat macht es sich zu einfach, wenn er bei der Religionspolitik auf die Kantone verweist. Es ist nicht im staatspolitischen Interesse, wenn Bern lediglich eine reaktive Religionspolitik betreibt, etwa bei der Minarett- oder Burka-Initiative.

Die Bundesräte Flavio Cotti und Pascal Couchepin haben als Innenminister bewiesen, dass eine aktive Religionspolitik auch auf Bundesebene nötig ist. Couchepin gründete den Rat der Religionen und suchte aktiv Kontakt zu allen relevanten Religionsgemeinschaften. Bundespräsident und Innenminister Alain Berset, Katholik wie Cotti und Couchepin, scheut die Religionsfrage bisher wie der Teufel das Weihwasser. Lieber labt er sich an schöner Kultur, als in Religionsfragen Kante zu zeigen. Dabei wird auch die katholische Kirche mit Steuergeldern unterstützt.

Auf jeden Honeymoon folgt die nüchterne Realität. Nach der «bella figura», die Cassis im Vatikan machte, wird es Zeit für ernstere Töne. Die nächste Gelegenheit dafür sollte Berset nutzen. Am 6. Mai, wenn die neuen Schweizergardisten vereidigt werden, ist der Bundespräsident in Rom. Beim Papst persönlich.

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