In der Ukraine geht der russische Angriffskrieg weiter, und die humanitäre Lage verschärft sich massiv. Die Thematik beschäftigt auch die Schweizer Politik: In der Fragestunde des Nationalrats muss der Bundesrat am Montag eine bunte Fragen-Palette im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg beantworten.
Ganz zuoberst auf der Prioritätenliste: die Flüchtlingsfrage. Über 1,5 Millionen Menschen sind bereits aus der Ukraine geflüchtet. Der Bund rechnet mit gut 20'000 ukrainischen Flüchtlingen in der Schweiz. EVP-Nationalrätin Marianne Streiff-Feller (64, BE) drängt FDP-Justizministerin Karin Keller-Sutter (58) zu einer unbürokratische Aufnahme der Betroffenen – was bisher nicht überall der Fall ist, wie das Beispiel einer sechsköpfigen Flüchtlingsfamilie belegt.
Derzeit würden asylsuchende Ukrainer vorerst in einem Bundesasylzentrum untergebracht. Dabei seien in der jetzigen Situation etliche Leute bereit, Menschen aus der Ukraine bei sich aufzunehmen, moniert Streiff.
SP-Nationalrat Mustafa Atici (52, BS) macht sich derweil für jene Schutzbedürftigen aus der Ukraine stark, die keinen ukrainischen Pass haben.
Einen ganz anderen Ansatz verfolgt Lega-Nationalrat Lorenzo Quadri (47, TI). Um Kriegsflüchtlinge aufzunehmen, will er die Rückführung «der zu vielen Wirtschaftsmigranten beschleunigen, die vor keinem Krieg geflüchtet sind und trotzdem weiterhin unberechtigterweise unser Asylsystem belasten».
Was ist mit den Oligarchen?
Die allzu zögerliche Sanktionspolitik gegenüber Russland ist ebenfalls ein Thema. Gleich mehrere Politiker befürchten, dass das Zuwarten des Bundesrats den betroffenen Oligarchen ermöglicht hat, ihre Milliardenvermögen rechtzeitig aus der Schweiz abzuziehen. SP-Nationalrätin Samira Marti (28, BL) etwa will von SVP-Finanzminister Ueli Maurer (71) wissen, wie hoch die verschobenen Vermögenswerte sind. Ebenso, ob noch weitere Oligarchen auf der Sanktionsliste landen werden.
FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann (59, ZH) verlangt derweil Auskunft über die genaue Anzahl sanktionierter russische Staatsbürger mit Schweizer Bankbeziehungen. Und SP-Nationalrätin Céline Widmer (43, ZH) will wissen, wie die Nationalbank mit Wertpapieren mit Russland-Bezug umzugehen gedenkt.
Muss sich die Armee neu ausrichten?
Viele Fragen drehen sich um die Zukunft der Armee. SVP und FDP haben bereits klargemacht, dass sie das Armeebudget angesichts des Ukraine-Kriegs auf jährlich sieben Milliarden Franken aufstocken und rasch neue Kampfjets beschaffen wollen. Auch Mitte-Verteidigungsministerin Viola Amherd (59) unterstützt die Stossrichtung – und appellierte an die Initianten, ihre Volksinitiative gegen F-35-Kampfflugzeuge zurückzuziehen. Ein Appell, der nun das links-grüne Lager auf den Plan ruft. Amherd muss sich zu ihrer «Einmischung» äussern.
Mitte-Nationalrätin Ida Glanzmann (63, LU) hingegen spielt ihrer Parteikollegin Amherd gekonnt den Ball zu, indem sie sich angesichts neuer Rüstungsbestrebungen verschiedener Staaten um allfällige Lieferengpässe beim Kampfjet F-35 sorgt. «Besteht aus Sicht des Bundesrates die Gefahr, dass die Bestellungen der neuen Kampfflugzeuge durch die sich abzeichnende Angebotsknappheit eine Verzögerung erfahren könnte?», will Glanzmann von Amherd wissen.
Nicht nur für die Kampfjetbeschaffung wird der Ukraine-Krieg zur Steilvorlage. SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor (57, VS) begründet damit seine Forderung, den Verkauf des Munitionsherstellers Ruag Ammotec zu blockieren. Zudem will er von Amherd wissen, ob sie «die Prioritäten unserer Sicherheitspolitik und unserer militärischen Planung» zu überdenken gedenkt.
Eine ganz besondere Auskunft verlangt GLP-Nationalrat François Pointet (52, VD): «Welche Massnahmen wurden getroffen, um die Personen psychologisch zu unterstützen, die zurzeit Militärdienst leisten?», will er wissen. Für ihn ist nämlich klar, dass die psychologischen Auswirkungen der russischen Aggression auf alle unbestreitbar seien – und für aktuell Militärdienstleistende «besonders gravierend sind».
Erdgas, Strom, Versorgungssicherheit
Der Fragen-Strauss ist aber noch viel breiter. Zur Abhängigkeit von russischem Erdgas, zu steigenden Strompreisen wegen des Ukraine-Kriegs oder allgemein zur Versorgungssicherheit wird sich die Landesregierung äussern müssen. Auch Fragen zur atomaren Bedrohung kommen etwa aufs Tapet.
Der Ukraine-Krieg wird das Parlament auch nach der montäglichen Fragestunde weiter beschäftigen. Am 16. März findet dazu sogar eine dringliche Debatte im Nationalrat statt.