Der Krieg in der Ukraine ist nicht nur emotional, sondern auch geographisch nicht weit weg. «Von St. Gallen aus sind es nur 24 Stunden mit dem Auto bis Kiew», hielt Justizministerin Karin Keller-Sutter (58, FDP) mit Verweis auf den eigenen Heimatkanton fest.
Den Menschen, die vor der russischen Invasion nach Westen flüchten, soll nun möglichst rasch und unbürokratisch geholfen werden: Mit dem Schutzstatus S. Dieser wurde unter dem Eindruck der Jugoslawienkriege geschaffen, bislang aber noch nie eingesetzt – weshalb er auch schon als «Phantomstatus» kritisiert wurde.
Nach dem Willen des Bundesrats soll dieses Phantom schon nächste Woche – nach der Konsultation mit Kantonen und weiteren Partnern – Realität werden. Personen mit S-Status müssen damit nicht mehr ein Asylgesuch stellen, um sich länger als 90 Tage in der Schweiz aufzuhalten.
Nahe an der EU-Lösung
Die Schweiz sei damit nahe an der Lösung der EU, hielt Keller-Sutter fest. Geplant ist unter anderem, dass die Geflüchteten eine verkürzte Wartezeit haben, bis sie eine Arbeitsbewilligung erhalten. Für die Unterbringung sind die Kantone zuständig, möglich sind auch Unterkünfte bei Privaten.
Ukrainische Geflüchtete werden es damit im Umgang mit Behörden einfacher haben als Menschen, die aus Syrien oder Afghanistan in die Schweiz flüchten. Keller-Sutter rechtfertigte das damit, dass Ukrainer und Ukrainerinnen innerhalb des Schengen-Raumes ohnehin schon frei reisen können. Und räumte auch ein, dass es durchaus einen gewissen Unterschied macht, dass der Krieg «quasi vor der Haustür» stattfindet.
Schweiz zu stark von Importen abhängig
Der Krieg wird aber auch in anderen Bereichen Auswirkungen auf die Schweiz haben – namentlich bei der Energieversorgung. «Die Schweiz hat sich zu stark auf Importe von Öl, Gas, Uran und Strom verlassen», hielt Umweltministerin Simonetta Sommaruga (61) fest. Für die SP-Bundesrätin war es auch Gelegenheit, auf ein rasches Umsteigen von fossilen auf erneuerbare Energien zu pochen. «Es kommt jetzt auf das Tempo an.»
Für den aktuellen Winter sei die Versorgung zwar gesichert – doch für den kommenden gelte es vorzusorgen. Die Gasunternehmen sollen nun rasch gemeinsam Gas, Gasspeicherkapazitäten, Flüssiggas (LNG) und LNG-Terminalkapazitäten beschaffen können. Der Bundesrat habe dies nun ermöglicht, ohne dass die Branche kartellrechtliche Konsequenzen fürchten müsse.
Hunderte Konten eingefroren
Konsequenzen haben dagegen 677 Russen und 23 Firmen zu tragen. So viele Konten wurden laut Wirtschaftsminister Guy Parmelin (62, SVP) eingefroren. Stand Freitag habe die Schweiz damit alle vier Sanktionspakete der EU rechtsgültig umgesetzt – und das «in Rekordzeit», wie der SVP-Bundesrat betonte.
Im letzten, am Freitag beschlossenen Sanktionspaket geht es um Güter- und Finanzsanktionen. Wie die EU verbietet die Schweiz etwa Transaktionen mit der russischen Zentralbank und trägt den Ausschluss russischer Banken aus dem Kommunikationsnetzwerk Swift mit.
Neu dürfen zudem Güter, die sowohl für militärische als auch für zivile Zwecke eingesetzt werden können, generell nicht mehr nach Russland ausgeführt werden. Weitere Verbote gibt es beim Export von Gütern für den Ölsektor oder Technologien für die Luft- und Raumfahrindustrie.
MK Keller-Sutter Ukraine 4.3.2022