Bundesrat verhängt Einreisesperren für Oligarchen
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Massnahmen verschärft:Bundesrat verhängt Einreisesperren für Oligarchen

Bundesrat Parmelin wollte Russen bis zuletzt schonen
Wie die Sanktions-Verschärfung zustande kam

Doch noch: Am Montag hat der Bundesrat sich dazu durchgerungen, sich den EU-Sanktionen gegen Russland anzuschliessen. Vermögen werden eingefroren, es gibt Einreisesperren, und Visa-Erleichterungen werden ausgesetzt.
Publiziert: 01.03.2022 um 04:01 Uhr
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Aktualisiert: 01.03.2022 um 06:08 Uhr
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Wirtschaftsminister Guy Parmelin war der grosse Abwesende an der Sanktions-Pressekonferenz.
Foto: Keystone
Pascal Tischhauser

Guy Parmelin (62) war der grosse Abwesende bei der Pressekonferenz vom Montag, an dem der Bundesrat die Übernahme der EU-Sanktionen gegen Russland ankündigte. Das Fehlen des Vorstehers des Wirtschaftsdepartements (WBF) spricht Bände. Eigentlich war geplant, dass neben Bundespräsident Ignazio Cassis (60), Justizministerin Karin Keller-Sutter (58) und Ueli Maurer (71) auch Parmelin vor die Medien tritt. Schliesslich fallen die Sanktionen in seinen Bereich.

Doch statt Parmelin trat Verteidigungsministerin Viola Amherd (59) auf. Der Wirtschaftsminister hatte bis zum Schluss praktisch nichts gegen Russland unternehmen wollen, beteuern mehrere Quellen. Er war einzig bereit, Konten einzufrieren.

Maurer belehrte Parmelin

Russische Oligarchen hätten damit ihre Umgehungsgeschäfte weiter betreiben können. Sie hätten Darlehen aufnehmen und mit dem Geld Aktiengeschäfte tätigen können. Es sei praktisch gar nicht möglich, solche Umgehungen zu verhindern, soll Parmelin noch am Montag behauptet haben.

«Blödsinn!», sei es sinngemäss ausgerechnet aus Finanzminister Maurer herausgeplatzt. Massnahmen seien sehr wohl möglich, soll der SVP-Bundesrat seinen Parteikollegen in den Senkel gestellt haben.

Mitte-links ging voran

Bis auf eine Informationsnotiz vom Mittwochabend gab es laut bundesratsnaher Kreise am letzten Donnerstag nichts, aufgrund dessen der Bundesrat einen Entscheid zu den Sanktionen hätte fällen können. Dazu braucht es Anträge. Es wäre an Cassis gewesen, auf eine Entscheidungsgrundlage zu drängen. Entsprechend fiel die Pressekonferenz zur wahrscheinlichen Nicht-Übernahme der Sanktionen aus: Cassis gab eine dünne Erklärung ab, und die Mitarbeitenden der Verwaltung konnten nicht erklären, was die Regierung nicht entschieden hatte.

Dem Vernehmen nach drängten Simonetta Sommaruga (61) und ihr SP-Kollege Alain Berset (49) darauf, dass das WBF eine Entscheidungsgrundlage vorlegt – und zwar rasch. Für sie, aber auch für Mitte-Bundesrätin Amherd war klar, dass sich unser Land den EU-Sanktionen anschliessen muss.

«Schwarze Garde»

Parmelin hingegen habe sich von seinem Staatssekretariat für Wirtschaft, das stets allein Wirtschaftsinteressen berücksichtigt, und von der «Schwarzen Garde» instrumentalisieren lassen. Als «Schwarze Garde» werden seine persönlichen Mitarbeiter Martin Baltisser (52) und Gabriel Lüchinger bezeichnet, die beide einst als SVP-Generalsekretäre amteten – und heute noch dafür zuständig sind, dass Parmelin parteikonform agiert.

Dafür erntete der Bundesrat auch im Parlament Entrüstung. Als erster Bürgerlicher machte Mitte-Chef Gerhard Pfister (59) klar, was er vom Vorhaben der Regierung hält, nur die Umgehung der EU-Sanktionen zu verhindern: «Die Mitte verurteilt die russische Aggression gegen die Ukraine aufs Schärfste. Dieser klare Bruch des Völkerrechts muss Konsequenzen haben», twitterte er. Die Umgehungsverhinderung reiche seit der offenen kriegerischen Eskalation nicht mehr.

Burkart fing seine Bundesräte ein

Noch bevor seine eigenen Bundesräte auf den Sanktionskurs umschwenkten, tat dies FDP-Chef Thierry Burkart (46), der es so ermöglichte, die Freisinnigen Cassis und Keller-Sutter einzufangen. Cassis hatte gehofft, die Kriegsparteien in Genf an den Verhandlungstisch zu bekommen. «Völlig illusorisch!», heisst es aus dem Bundeshaus.

Nun hat der Bundesrat sich dazu durchgerungen, Vermögen russischer Staatsbürger und Unternehmen auf der EU-Sanktionsliste per sofort zu sperren, gegen fünf Oligarchen mit russischem oder ukrainischem Pass ein Einreiseverbot zu verhängen und das Abkommen für Visa-Erleichterungen für Russen zu suspendieren. Seit Montagnachmittag ist zudem in der Schweiz der Luftraum für russische Flugzeuge gesperrt – und zwar für Linien- wie für Privatflüge.

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