Die Schweiz werde sich solidarisch mit den Menschen und den Familien in der Ukraine zeigen, sagte Bundesrätin Karin Keller-Sutter (58) vor dem EU-Sondertreffen der europäischen Justiz- und Innenminister vergangenen Sonntag in Brüssel. Die Arbeiten laufen, um aus den Worten Taten zu machen.
Die Uno rechnet aktuell mit bis zu vier Millionen Flüchtenden. Zurzeit treibt es die meisten Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in grenznahe Gebiete – insbesondere nach Polen, wo ukrainische Staatsangehörige Verwandte haben. Doch schon bald dürfte der Flüchtlingsstrom auch die Schweiz erreichen.
Eine Premiere in der Schweiz
Noch am Freitag soll der Bundesrat offenbar entscheiden, wie die Schweiz mit den Flüchtlingen umgehen will. Zur Diskussion steht, ihnen den Schutzstatus S zu erteilen. Diesen Status, der speziell für Kriegsflüchtlinge vorgesehen ist, die vorübergehend Schutz brauchen, gibt es schon lange – doch angewandt hat ihn die Schweiz bisher noch nie.
Statt dass jedes Asylgesuch einzeln bearbeitet werden müsste, könnten Ukrainerinnen und Ukrainer so schnell und pragmatisch vorübergehenden Schutz in der Schweiz erhalten. Der Haken: Das Gesetz sieht vor, dass Personen mit diesem Status erst nach drei Monaten arbeiten dürfen. Der Bund prüft jetzt, ob es allenfalls möglich wäre, dass die Flüchtenden schon vorher in der Schweiz zu arbeiten anfangen können.
Solidarität statt Bürokratie
Bis eine Lösung auf dem Tisch liegt, hat der Bund die Kantone angewiesen, den Aufenthalt von Ukrainerinnen und Ukrainern in der Schweiz unbürokratisch zu regeln. Im Gegensatz zu Kriegsflüchtlingen aus Syrien oder Afghanistan können Ukrainer ohne Visum in die Schweiz reisen und sich hier drei Monate lang aufhalten. Auch nach Ablauf der 90-Tage-Frist sollen sie in der Schweiz bleiben können. In einem Dokument an die Kantone, das Blick vorliegt, teilt das Staatssekretariat für Migration (SEM) auch mit, dass man eine «grosszügigere Lösung für den Familiennachzug» prüfe.
Bereits am Montag hatte Justizministerin Keller-Sutter bekannt gegeben, dass Ukrainerinnen und Ukrainer auch ohne Pass in die Schweiz einreisen können. Die Alliance Swisspass hat zudem entschieden, dass Flüchtlinge ohne Billett im ÖV reisen dürfen.
Städte bereiten sich vor
Während der Bund die Formalien klärt, bereiten sich einzelne Städte bereits auf die Aufnahme der Flüchtlinge vor. Zürichs Stadtpräsidentin Corine Mauch (61, SP) sagte an einer Kundgebung am Montagabend, Zürich sei bereit, Kriegsflüchtlingen Zuflucht zu bieten, und stehe diesbezüglich in Kontakt mit Kanton und Bund.
Heike Isselhorst vom Zürcher Sozialdepartement sagt: «Derzeit prüfen wir bestehende Unterbringungsmöglichkeiten und schauen, wo wir allenfalls notwendige zusätzliche Kapazitäten schaffen können.» Man nehme zudem Kontakt mit der ukrainischen Community auf, um zu erfahren, wo genau Hilfe benötigt werde. «So können wir ganz gezielt unterstützen, zum Beispiel mit Lagerräumen für Hilfsgüter oder auch bei der Finanzierung von Hilfsaktionen.» Der Kanton Zürich hat eine Anlaufstelle geschaffen für Privatpersonen, die eine Unterbringungsmöglichkeit haben.
Auf der Suche nach Plätzen
Auch im Kanton Basel-Stadt gibt es eine Stelle, an die sich Menschen wenden können, die bereit sind, Flüchtlinge aufzunehmen. Man habe aber auch in den Asylunterkünften Platz, teilte der Kanton am Dienstag mit.
In Luzern hat die Kantonsregierung der Verwaltung bereits vergangene Woche den Auftrag erteilt, zusätzliche Plätze zu suchen. «Die Stadt ist bereit, die notwendige Unterstützung zu bieten», teilt die Sozial- und Sicherheitsdirektion mit.
Gleich sieht es im Kanton Bern aus. In den Kollektivunterkünften des Kantons stünden 200 Plätze zur sofortigen Nutzung zur Verfügung, weitere könnten geschaffen werden, sagte Gundekar Giebel, Sprecher der Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion des Kantons Bern, zum «Bund».