Rumäne hilft ukrainischen Flüchtlingen über die Grenze – und beschreibt hochemotionale Szenen
«Die Kinder wissen, dass ihre Väter in den Krieg müssen»

Der Rumäne Tudor Bradatan hilft ukrainischen Flüchtlingen, in sein Land zu kommen. Er beschreibt hochemotionale Szenen, wenn sich Familien an der Grenze trennen müssen, weil die Väter in den Krieg ziehen müssen.
Publiziert: 28.02.2022 um 19:11 Uhr
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Der Rumäne Tudor Bradatan beschreibt hochemotionale Szenen an ukrainisch-rumänischen Grenze in Siret.
Foto: declic.ro

Der Krieg in der Ukraine ist eine humanitäre Katastrophe. Laut Angaben des Uno-Hochkommissars für Flüchtlinge, Filippo Grandi (64), sind bereits eine halbe Million Menschen aus der Ukraine geflüchtet. Wie viele innerhalb des Landes vertrieben wurden oder noch unterwegs Richtung Grenze sind, kann nur geschätzt werden. Nach UN-Angaben dürfte es eine sechsstellige Anzahl sein.

Ein schnelles Ende des Krieges scheint nicht in Sicht. Und der Kampf fordert auch bei der Zivilbevölkerung immer mehr Opfer. Die EU-Kommission erwartet die grösste humanitäre Krise in Europa seit vielen Jahren. «Was die humanitäre Lage insgesamt angeht, so wird derzeit mit über sieben Millionen Vertriebenen in der Ukraine gerechnet», so der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenmanagement, Janez Lenarcic (54), am Sonntag.

Mehr als die hälfte der Flüchtlinge, die es aus der Ukraine geschafft haben, sind nach Polen gereist. Alleine am Sonntag haben laut Angaben des polnischen Grenzschutzes 100'000 ukrainische Staatsbürger die polnische Grenze überquert.

«Diese Berichte von Bomben und Raketen, die auf zivile Objekte und sogar auf Kindergärten und Schulen fallen, führen dazu, dass wir immer mehr Flüchtlinge an der polnisch-ukrainischen Grenze haben», sagte Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki (53) am Montag in Warschau. Bislang seien etwa 300'000 Flüchtlinge aus der Ukraine eingetroffen.

Männer dürfen Ukraine nicht verlassen

Die Uno gibt als weitere Fluchtziele Moldau, Ungarn, die Slowakei und Rumänien an. In Deutschland waren bis am Montag Abend 1800 Kriegsflüchtlinge angekommen.

Die Solidarität, die ihnen entgegengebracht wird, ist enorm. In Rumänien kümmert sich Tudor Bradatan um die Geflüchteten, versucht, sie rasch über die Grenze zu bringen. Die Bilder, die er am Samstag an der Grenze sah, wird er sein Leben lang nicht vergessen, wie er Blick erzählt. «Es gibt riesige Warteschlangen. Die Menschen lassen aus Verzweiflung ihre Autos zurück und gehen zu Fuss, um schneller passieren zu können.»

Besonders nahe gehe ihm, wie geschockt viele der Flüchtlinge wirken, wenn sie nach Rumänien kommen. «Männer dürfen die Ukraine derzeit ja nicht verlassen. Darum sehen wir viele Kinder und Frauen, die ein paar Minuten zuvor ihren Vätern, Ehemännern und Freunden auf Wiedersehen gesagt haben im Wissen, dass diese nun in den Krieg müssen. Das zu verarbeiten, ist extrem schwierig.»

Rumänien wurde vom Flüchtlingsstrom überrannt

Bradatan, der für das rumänische NGO Declic arbeitet, sagt, sein Land sei zu Beginn vom Flüchtlingsstrom überrannt worden. Rumänien habe sonst kaum Flüchtlinge und sei darum «völlig unvorbereitet» getroffen worden. Seit Beginn der russischen Invasion sind laut Berichten der Uno Hunderttausende Ukrainer auf der Flucht – Zehntausende davon sollen jeden Tag in Rumänien ankommen.

Mittlerweile aber habe man sich an der Grenze in Siret, wo Bradatan arbeitet, besser eingerichtet, sagt er. Vor allem aufgrund vieler Freiwilliger, die Essen verteilen, sich um Dokumentationsabklärungen kümmern oder Übernachtungsmöglichkeiten besorgen. Trotz dieser Euphorie sagt Bradatan aber, dass es noch mehr Hilfe brauche. Denn: «Die grosse Welle an Flüchtlingen steht erst noch bevor.» (vof/sac)

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