Am 1. Januar 2022 übernimmt FDP-Mann Ignazio Cassis (60) von SVP-Mann Guy Parmelin (62) das Amt als Regierungschef der Schweiz. Für ein Jahr wird der Tessiner damit zum Primus inter pares – zum Ersten unter Gleichen – in der Landesregierung.
Für den seit November 2017 als Bundesrat amtierenden Cassis ist die Rolle des Bundespräsidenten Neuland. Ihn erwartet 2022 ein Posten, der mit allerlei Pflichten und Privilegien verbunden ist. Diese sind im sogenannten Aide-mémoire für die Bundesratsmitglieder festgehalten.
12'000 Franken Lohn-Zustupf
Per 2022 erhalten die Bundesräte – nach einer Nullrunde im Jahr zuvor – wieder eine Lohnerhöhung. Denn ihre Besoldung wird jeweils analog der Löhne des Bundespersonals an die Teuerung angepasst. Auf die aktuelle Grundbesoldung kommt ein Teuerungsausgleich von 0,5 Prozent obendrauf – genau 2272.90 Franken, wie die Bundeskanzlei auf Anfrage mitteilt.
Die drei Frauen und vier Männer müssen also nicht darben: Das Bruttojahreseinkommen eines Bundesrats bleibt auch im Jahr 2022 mit 456'854.35 Franken ein schöner Batzen. Dazu kommt eine Spesenpauschale von jährlich 30'000 Franken.
Cassis darf sich in seinem Präsidialjahr zudem über einen weiteren Zustupf von 12'000 Franken freuen. Fürs ganze Jahr, nicht pro Monat.
Viele Repräsentationspflichten
Cassis repräsentiert den Bundesrat im Jahr 2022 im In- und Ausland. So kann er grundsätzlich an sämtlichen internationalen Konferenzen teilnehmen sowie Einladungen von Staatsoberhäuptern und Regierungschefs annehmen. Allerdings hängt auch im neuen Jahr vieles vom Verlauf der Corona-Pandemie ab.
Zu den Pflichten im Inland gehören in der Regel auch ein bis zwei Staatsbesuche sowie weitere offizielle Besuche wie Höflichkeitsbesuche. Auch der Neujahrsempfang der ausländischen Botschafter sowie zwei Anlässe mit dem diplomatischen Korps stehen jeweils auf dem Programm. Hinzu kommt die Übergabe der Beglaubigungsschreiben an ausländische Botschafter, die ebenfalls der Bundespräsident vornimmt.
Viele Reden
Auch einige präsidiale Aufgaben mit Repräsentationscharakter gehören zum Programm von Cassis: etwa die Neujahrsansprache, je ein Präsidial-Dinner mit der Bundeshaus- und der Auslandspresse (sofern aufgrund der Corona-Pademie überhaupt möglich), die 1.-August-Ansprachen «an das Schweizervolk» und «an die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer» oder die Rede zum Tag der Kranken.
Damit die Last nicht zu gross wird, kann der Bundesrat aber auch seine übrigen Mitglieder sowie den Bundeskanzler mit Repräsentationsaufgaben betrauen.
In dringenden Fällen entscheidet er allein
Als Bundespräsident leitet der FDP-Mann die in der Regel wöchentlichen Bundesratssitzungen. Er ist zusammen mit der Bundeskanzlei für «eine optimale Sitzungsvorbereitung für einen effizienten und ergebnisorientierten Sitzungsverlauf» zuständig. An diesen fällt die Landesregierung ihre Entscheidungen.
Muss aber aufgrund einer speziellen Lage – Corona lässt grüssen – ein ausserordentliches Entscheidungsverfahren durchgeführt werden, entscheidet der Bundespräsident in Rücksprache mit der Bundeskanzlei, ob eine ausserordentliche Sitzung oder eine Telefonkonferenz einberufen wird – oder ob das Ganze allenfalls im Zirkularverfahren abgehandelt werden kann.
In dringlichen Notlagen darf Cassis auch allein sogenannte Präsidialentscheide fällen – muss diese aber im Nachhinein von den Kollegen absegnen lassen.
Sitzungsleitung in Bern und «extra muros»
Er legt zudem fest, ob und wann Bundesratssitzungen «extra muros» – also ausserhalb Berns – abgehalten werden. Seit 2010 sind solche Sitzungen Tradition, um damit die Verbundenheit mit den diversen Landesteilen auszudrücken, denn in der Regel gehört ein Treffen mit der Bevölkerung zum Programm.
2019 zum Beispiel ging es nach Zürich. 2020 hingegen gab es wegen Corona keine derartige Extra-Sitzung. 2021 hingegen genoss der Bundesrat einen Sitzung ausserhalb in Luzern, wo er im Verkehrshaus auch mit der Bevölkerung zusammentraf. Mal schauen, wohin Cassis die Tradition dieses Jahr führen wird.
Cassis wird zum Reiseleiter
Einmal im Jahr wird der Bundespräsident zum Reiseleiter. Dann nämlich, wenn die jährliche Bundesratsreise ansteht. Zumindest im ersten Präsidialjahr stellt er seinen Kolleginnen und Kollegen jeweils seinen Herkunftskanton vor. 2022 wird die Reise also ins Tessin führen. Bei einer weiteren Amtszeit ist die Wahl der bereisten Kantone allerdings freigestellt.
Auf Cassis kommt dieses Jahr ein besonders schönes Privileg zu: Er darf 5000 Franken aus dem Präsidialfonds «zur Unterstützung notleidender Personen oder wohltätiger Organisationen» spenden – ganz nach eigenem Gutdünken.