«Ein Impfobligatorium ist möglicherweise notwendig»
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Das meint Cassis:«Ein Impfobligatorium ist möglicherweise notwendig»

Der künftige Bundespräsident Ignazio Cassis spricht Klartext
«Impf-Obligatorium könnte notwendig sein»

Aussenminister Ignazio Cassis (60) ist vom Parlament zum neuen Bundespräsidenten 2022 gewählt worden. Er tritt die Nachfolge von Guy Parmelin (62) an. Als früherer Tessiner Arzt hat Cassis klare Ansichten zur Bewältigung der Pandemie.
Publiziert: 09.12.2021 um 00:09 Uhr
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Aktualisiert: 16.12.2021 um 06:43 Uhr
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Ignazio Cassis freut sich über die Wahl zum neuen Bundespräsidenten.
Foto: AFP
Interview: Pascal Scheiber

Die Vereinigte Bundesversammlung hat am Mittwochmittag FDP-Bundesrat Ignazio Cassis (60) zum künftigen Bundespräsidenten gewählt. SP-Gesundheitsminister Alain Berset (49) wird Vizepräsident und damit im Jahr 2023 Präsident. Cassis ist nach dem vor einem Jahr verstorbenen Flavio Cotti (†81, CVP) der erste Bundespräsident seit über 20 Jahren mit italienischer Muttersprache. Blick TV traf den Magistraten nach der Wahl.

Herr Bundesrat Cassis, Sie sind zum Bundespräsidenten 2022 gewählt worden – mit 156 Stimmen. Wie fühlen Sie sich?
Ignazio Cassis: Es ist eine grosse Ehre, dieses Amt ausfüllen zu dürfen. Nicht nur für mich als Mensch, sondern vor allem für die Sprachgemeinschaft, die ich hier in Bern vertrete. Die italienischsprachige Minderheit hatte fast ein Vierteljahrhundert lang niemanden mehr in dieser Funktion. Diese Ehre und diesen Stolz der Sprachgemeinschaft spüre ich gut. Es ist für mich ein wichtiger und ein grosser Tag.

Macht es Sie traurig, dass 30 Stimmen leer eingelegt wurden?
Nein, überhaupt nicht. Ich bin froh, im Durchschnitt aller Präsidenten gut gewählt worden zu sein. Das genügt mir.

Sie haben gesagt, die Pandemie könne man wohl nicht beenden, aber die Krise schon.
Ja, indem man das Richtige tut, um mit dem Virus zusammenzuleben. Das heisst, sich schützen, sich impfen lassen beispielsweise. Man sollte sich so verhalten, dass es keine weiteren Übertragungen mehr gibt. Und man soll auch akzeptieren, dass man unterschiedlicher Meinung sein kann, ohne dass daraus ein Problem entstehen muss. Ich bin sehr besorgt über die Schwierigkeiten, die wir heute in der Schweiz mit unterschiedlichen Meinungen haben.

Da müssen Sie dem Land wohl Nachhilfe geben.
Ich werde versuchen, mit meinen Worten, mit meinem beruflichen Background zu erklären, warum der Bundesrat gewisse Entscheide getroffen hat.

Wie wollen Sie das machen? Sie sind ja Arzt. Da geniesst man vielleicht ein bisschen mehr Vertrauen als sonst ein Politiker.
Dank meinem beruflichen Background verstehe ich etwas von der Sache und habe einen anderen Wortschatz als andere Bundesräte. Deshalb denke ich, dass mein Beitrag zur Erklärung der Entscheide ein konstruktiver sein kann, damit die Bevölkerung die Entscheide besser versteht.

Macht es Sinn, eine Impfpflicht für spezifische Gruppen in der Gesellschaft zu verordnen?
Eine Impfpflicht ist im Moment gar nicht in Diskussion in der Schweiz. Aber als Arzt weiss ich, dass ein Impfobligatorium möglicherweise notwendig ist. Es muss aber verhältnismässig sein. Also die epidemiologische Lage muss es verlangen. Das ist sicher ein wichtiger Eingriff in die persönliche Freiheit. Darum muss man die richtige Balance finden. Im Moment ist es nicht nötig. Doch es gab in der Geschichte übertragbare Krankheiten, die zu Impfobligatorien geführt haben.

Rechnen Sie denn damit, dass es in Richtung Obligatorium gehen kann?
Nein, ich rechne im Moment nicht damit, dass es in diese Richtung geht. Ich will dieses Instrument einfach nicht a priori ausschliessen. Das wäre falsch.

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