Darum geht es bei den Corona-Indiskretionen
Drei Lecks, drei Sonderermittler und ein Bundesrat

Die Informationslecks in der Corona-Krise bewegen die Schweiz. Doch: Worum gehts? Wer ist überhaupt involviert? Was laufen alles für Untersuchungen? Blick erklärt die komplexe Affäre.
Publiziert: 24.01.2023 um 00:14 Uhr
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Aktualisiert: 28.01.2023 um 06:23 Uhr
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Steht im Fokus der Ermittlungen: Peter Lauener (links), Ex-Sprecher von Bundesrat Alain Berset.
Foto: Keystone
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Tobias OchsenbeinRedaktor Politik

Die Affäre um Corona-Indiskretionen hält seit Tagen die Schweiz in Atem: Peter Lauener (52), Bundesrat Alain Bersets (50) ehemaliger Kommunikationschef, soll dem CEO des Ringier-Verlags, Marc Walder (57), während der Corona-Pandemie laufend vertrauliche Informationen zu geplanten Covid-Massnahmen des Bundesrats übermittelt haben. Das publizierte die Zeitung «Schweiz am Wochenende» Mitte Januar.

Mit den Informationen an den Ringier-Verlag, der auch Blick und SonntagsBlick herausgibt, habe Druck auf Bersets Regierungskollegen ausgeübt werden sollen. So lautet der Vorwurf, den Sonderermittler Peter Marti (72) im Strafverfahren gegen Lauener erhebt. Bloss: Warum läuft überhaupt ein Strafverfahren gegen Peter Lauener, und was hat das mit der Crypto-Affäre zu tun? Blick erklärt die Corona-Leaks chronologisch.

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Februar 2020: Verschiedene Medien machen publik, dass die Zuger Crypto AG jahrzehntelang manipulierte Chiffriermaschinen produzierte. Der US-amerikanische Geheimdienst CIA und der deutsche Bundesnachrichtendienst BND, Inhaber des Unternehmens, konnten damit die halbe Welt ausspionieren. Der Schweizer Nachrichtendienst (NDB) war stiller Teilhaber, auch er konnte also mithören, was neutralitätspolitisch heikel war. Daraufhin startet die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) eine Untersuchung. Diese besteht aus National- und Ständeräten und ist für höchst geheime Angelegenheiten bei Staatsschutz und Nachrichtendienst zuständig.

Oktober 2020: Tage bevor die Ergebnisse der Untersuchung hätten publiziert werden sollen, berichten die «NZZ» und der «Tages-Anzeiger» über die geheime Untersuchung der GPDel. Diese erstattet wenig später Anzeige bei der Bundesanwaltschaft (BA) – wegen Amtsgeheimnisverletzung.

September 2021: Die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) setzt zur Klärung des Falls den pensionierten Oberrichter und ehemaligen Zürcher SVP-Kantonsrat Peter Marti als Sonderermittler ein. Und zwar, weil möglicherweise auch die BA befangen sein könnte.

Während der Ermittlungen stösst Marti auf die E-Mail-Korrespondenz zwischen Bersets damaligem Kommunikationschef Peter Lauener und Ringier-CEO Marc Walder. Er bittet die AB-BA um Erlaubnis, die Crypto-Untersuchung auszuweiten. Die AB-BA gibt grünes Licht.

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Mai 2022: Sonderermittler Marti nimmt Lauener vier Tage in Haft und befragt ihn wegen des Verdachts auf Amtsgeheimnisverletzung. Auch Bundesrat Alain Berset und Ringier-CEO Marc Walder werden im Zuge des Verfahrens befragt. Allerdings nicht als Beschuldigte wie Lauener, sondern als Auskunftspersonen.

Juni 2022: Peter Lauener tritt unvermittelt von seinem Amt zurück.

Juli 2022: Es kommt aus, dass Peter Marti gegen Peter Lauener und zwei Mitarbeiter von Bundesrat Ignazio Cassis (61) ein Strafverfahren führt: Generalsekretär Markus Seiler (54) und Medienchef Michael Steiner. Seiler leitete bis Ende November 2017 den Nachrichtendienst des Bundes. Für sämtliche Beschuldigte gilt die Unschuldsvermutung.

September 2022: Lauener zeigt Marti im September 2022 an, er wirft ihm Amtsmissbrauch und allenfalls weitere Delikte vor. Zudem beantragt Lauener die Siegelung der Mails, die er mit Walder ausgetauscht hatte. Grund: Marti habe seine Ermittlungen unrechtmässig ausgeweitet. Zur Aufhebung der Siegelung läuft beim Berner Zwangsmassnahmengericht derzeit ein Verfahren. Dieser Entscheid im Entsiegelungsverfahren könnte gerichtlich noch weitergezogen werden. Bis Klarheit über eine allfällige Entsiegelung herrscht, sind Martis Ermittlungen blockiert.

Dezember 2022: Sonderermittler Peter Marti bekommt es nach der Anzeige gegen ihn selber mit einem Sonderanwalt zu tun. Stephan Zimmerli muss nachforschen, ob Marti in seinen Untersuchungen zu weit gegangen ist. Das Justizdepartement, damals noch unter der Ägide von Bundesrätin Karin Keller-Sutter (59), gibt im Dezember 2022 grünes Licht dazu.

14. Januar 2023: Die Zeitung «Schweiz am Wochenende» macht die Einvernahmeprotokolle Martis publik. Der Vorwurf: Peter Lauener soll Ringier-CEO Marc Walder laufend mit Informationen zu Corona-Massnahmen versorgt haben.

16. Januar 2023: Die Bundesanwaltschaft stellt bei der AB-BA den Antrag, wegen des Lecks einen dritten Sonderermittler einzusetzen. Er soll herausfinden, wer die Einvernahmeprotokolle und E-Mails aus Martis Verfahren der «Schweiz am Wochenende» zugespielt hat.

24. Januar 2023: Die Geschäftsprüfungskommissionen des Parlaments eröffnen eine Untersuchung. Eine Arbeitsgruppe soll den Indiskretionen auf den Grund gehen – nicht nur im Innen-, sondern in allen Departementen.

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