Im Frühling sprach der Bundesrat ein Machtwort: Wer gegen Corona-Regeln wie Ansammlungsverbot oder 2-Meter-Abstand verstösst, muss blechen. Mit Ordnungsbussen von 100 Franken konnte die Polizei Corona-Verweigerer zähmen. Konsequenz: Über 2 Millionen Franken mussten Corona-Sünder während des Lockdowns zahlen.
Tempi passati. Mit dem Ende der ausserordentlichen Lage im Juni fiel auch das Ordnungsbussen-Regime dahin. Angesichts der damals weitgehend entspannten Lage kein Problem.
Doch mit den im Oktober verschärften Regeln mit Versammlungslimite oder ausgeweiteter Maskenpflicht sind die Polizeikorps wieder stärker gefordert. Ausgerechnet jetzt fehlen ihnen Ordnungsbussen als probates Druckmittel. Der Bund verzichtet in der Corona-Verordnung nämlich «angesichts der im Zentrum stehenden Eigenverantwortung und mit Blick auf das Verhältnismässigkeitsprinzip» bewusst auf eine spezifische Strafbestimmung bei den Verhaltensregeln.
Aufwendige Strafverfahren
Fehlbare können einzig via Anzeige mit einem aufwendigen Strafverfahren sanktioniert werden. Zwar sind Bussen bis maximal 10'000 Franken denkbar. Doch bei leichten Verstössen bleibt es bei tiefen Bussen – da wäre es unverhältnismässig, den ganzen Justizapparat in Bewegung zu setzen.
Die Ordnungshüter sind in der Zwickmühle und halten sich zurück. Zum Vergleich: Allein im Kanton Aargau wurden im Lockdown über 2000 Corona-Ordnugsbussen verteilt. Seit Oktober hingegen wurden «lediglich noch vereinzelt Personen angezeigt».
Kantone wollen Ordnungsbussen
Kein Wunder, rufen die Kantone deshalb nach einer Rückkehr zum Ordnungsbusse-Regime. In den beiden Kurz-Konsultationen zu den Corona-Verschärfungen machten sie Druck auf Bundesrat Alain Berset (48). «Für die Durchsetzung ist es wichtig, dass die Bestrafung geringfügiger Übertretungen im Ordnungsbussenverfahren möglich ist», betonte die Gesundheitsdirektoren-Konferenz (GDK) in ihrer Stellungnahme, die BLICK vorliegt.
Es handle sich um eine sehr breit geäusserte Forderung, sagt GDK-Generalsekretär Michael Jordi auf Anfrage. «Nicht jeder, der keine Maske trägt, soll gleich eine Ordnungsbusse erhalten», erklärt er. «Mit der Bussen-Option könnte die Polizei aber dosiert Druck ausüben und die Betroffenen im Gespräch eher von der Einhaltung der Regeln überzeugen.» Ein Strafverfahren hingegen dauere mehrere Monate und sei mit grossem Aufwand für alle Seiten verbunden.
Rasch und unkompliziert ahnden
Zu den Befürwortern gehört der Kanton Aargau. Um die Massnahmen konsequent durchsetzen zu können, brauche es «unmittelbar strafrechtliche Sanktionen», so Maria Gares vom Gesundheitsdepartement. «Diese Unmittelbarkeit ist nur gegeben, wenn das Fehlverhalten mit einer Ordnungsbusse geahndet wird.» Ein Strafbefehl, der erst Tage oder Wochen nach dem Fehlverhalten erlassen werden könne, «ist – in Bezug auf die Beachtung der Massnahme – wirkungslos».
Ähnlich tönt es beim Kanton Solothurn: «Durch das Ordnungsbussenverfahren kann eine rasche und unkomplizierte Ahndung von Bagatelldelikten gewährleistet werden», erklärt Thomas Jud von der Staatskanzlei. Ein Verfahren wie während der ersten Welle würde sich «auch gegenwärtig erneut als sinnvoll erweisen».
Auch der Kanton St. Gallen plädiert für die frühere Lösung. «Würde der Bund wieder Ordnungsbussen zulassen, würde das auch den administrativen Aufwand des Kantons mindern, was zu begrüssen ist», sagt Staatskanzlei Sprecher Markus-Wehrli.
Bund winkt ab
Angesichts der klaren Haltung der Kantone bedauert GDK-Mann Jordi, dass die Ordnungsbussen-Option nicht explizit im Covid-19-Gesetz geregelt worden sei. Er macht klar: «Der Bundesrat sollte eine gesetzliche Lösung im Hinblick auf die Wintersession prüfen.»
Doch der Bund winkt ab. Corona-Ordnungsbussen seien derzeit nicht möglich. «Es bedingt die Änderung des Ordnungsbussengesetzes im Rahmen eines ordentlichen Verfahrens», sagt Daniel Dauwalder vom Bundesamt für Gesundheit. «Das ist im Moment nicht vorgesehen.»