«Es wird eng.» Der Ja-Slogan für die Begrenzungs-Initiative lief bei der Stimmbevölkerung ins Leere. Denn alles andere als eng fällt das Abstimmungsresultat aus: 61,7 Prozent sagen Nein zur Begrenzungs-Initiative der SVP. Nur gerade vier Kantone schlugen sich ins Ja-Lager. Das Stimmvolk hat den bilateralen Weg und damit die Personenfreizügigkeit mit der EU klar bestätigt.
Doch nach der Schlacht ist vor der Schlacht. So richtet SVP-Chef und Ständerat Marco Chiesa (45) sein Augenmerk schon auf den nächsten Schauplatz: das Rahmenabkommen mit der EU. «Die EU erhöht bereits den Druck, dass wir unsere Souveränität aufgeben. Die Drohungen werden bleiben», so Chiesa. Dass das Abkommen nach dem Nein der Sozialpartner klinisch tot ist, mag er nicht glauben. «Das ist nur ein Spiel, am Ende werden die Sozialpartner das Rahmenabkommen unterstützen – da dürfen wir uns nicht täuschen lassen.»
Jetziger EU-Deal in der Kritik
Doch damit reitet die SVP ein totes Pferd. Das jetzige Abkommen hat nicht einmal mehr im Bundesrat genügend Rückhalt. FDP-Aussenminister Ignazio Cassis (59) ist der Einzige, der noch an eine Lösung glaubt. Im Freisinn bröckelt die Zustimmung – die massive Kritik von alt Bundesrat Johann Schneider-Ammann (68) ist da nur die Spitze des Eisbergs.
Die Front gegen das Abkommen ist noch breiter geworden. Beim Lohnschutz sperren sich die Sozialpartner, wie BLICK publik gemacht hatte, bei der Unionsbürgerrichtlinie die Bürgerlichen, bei den staatlichen Beihilfen gibt es Bedenken der Kantone – und die Rolle des Europäischen Gerichtshofs rückt wieder in den Fokus.
In der SRF-Elefantenrunde fragte CVP-Präsident Gerhard Pfister (57) ketzerisch: «Hat das Abkommen je gelebt?» Es brauche Verbesserungen seitens der EU in allen vier Punkten, so Pfister. Der Tenor der Parteispitzen war klar: Der Ball liegt nun beim Bundesrat.
Bundesrat will Position festlegen
Dieser ist trotz der SVP-Niederlage weit davon entfernt, euphorisch aufs Gaspedal zu drücken. Die Regierung will «in den nächsten Wochen» die Position der Schweiz festlegen und danach wieder das Gespräch mit der EU suchen, so FDP-Justizministerin Karin Keller-Sutter (56). «Wir werden mit der EU die offenen Punkte diskutieren.» Wie lange diese Gespräche dauern könnten, darauf wollte die Bundesrätin nicht eingehen.
Auf nach Brüssel, heisst nun die Devise. Dem Vernehmen nach soll FDP-Aussenminister Cassis der EU-Kommission den Schweizer Standpunkt noch dieses Jahr erörtern, so der bisherige Fahrplan. Der Bundesrat hat demnach bereits einige Verschärfungen vorgenommen, die Brüssel kaum gefallen dürften.
Brüssel winkt ab
Ob der Bundesratsvorschlag nochmals gross in die Konsultation gegeben wird, ist noch offen, aber eher unwahrscheinlich. Cassis will aber nur mit Vorschlägen nach Brüssel ziehen, die innenpolitisch gut abgestützt sind, wie er im BLICK-Interview deutlich machte. Ihm steht eine beschwerliche Reise bevor. Schon jetzt heisst es aus Bundesbern: «In Brüssel werden wir nicht auf offene Türen stossen, substanzielle Verbesserungen wird die EU kaum machen. Warum sollte sie auch?»
Das macht auch eine Mitteilung von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (61) deutlich. Sie freue sich, dass der Bundesrat nun beim Rahmenabkommen zügig vorankommen könne – und betonte, dass das Abkommen seit 2018 «fertig ausgehandelt» sei.