Das Rahmenabkommen ist chancenlos!
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Verhältnis Schweiz-EU:Darum geht es beim Rahmenabkommen

Bundeshaus-Insider sind sich einig
Das Rahmenabkommen ist chancenlos!

Nach dem Abstimmungssonntag kommt das Rahmenabkommen mit der EU wieder auf den Tisch. Doch während die SVP warnt, dass der Bundesrat schnell Nägel mit Köpfen machen wolle, zeigen BLICK-Recherchen: Von einer Lösung ist man weit entfernt.
Publiziert: 25.09.2020 um 01:33 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2020 um 13:54 Uhr
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Am Sonntag stimmt die Schweiz über die Begrenzungsinitiative der SVP ab.
Foto: Manuel Geisser
Ruedi Studer und Pascal Tischhauser

Die Begrenzungsinitiative (BGI) der SVP dürfte am Sonntag klar abgeschmettert werden. Dennoch bleibt das Rahmenabkommen mit der EU chancenlos. Und zwar, weil unser Verhältnis mit der Europäischen Union so gut ist.

Oder anderes gesagt: Wir haben mit der EU keine Probleme. Warum sollten wir ein Abkommen schliessen, das Probleme schafft? BLICK-Recherchen zeigen: Diese Haltung ist mittlerweile Konsens.

Der Staatssekretär im Aussenministerium (EDA), Roberto Balzaretti (55), und Aussenminister Ignazio Cassis (59, FDP) hatten beim Rahmenabkommen auf die Tube gedrückt. Sie wollten es unbedingt noch vor dem Brexit abschliessen.

Dabei sind sie übers Ziel hinausgeschossen: Weil sie die flankierenden Massnahmen (FlaM) und damit den Lohnschutz für die Arbeitnehmer aufgeben wollten, verliessen die Gewerkschaften den Verhandlungstisch.

Einwanderung in die Sozialwerke

Als dann der Text des Rahmenabkommens vorlag, fand der Bundesrat, in drei Punkten brauche es eine Klärung. Neben den flankierenden Massnahmen sollten Präzisierungen bei den staatlichen Beihilfen und bei der Unionsbürgerrichtlinie erfolgen. Vor allem Letztere ist ein No-Go. Es droht dabei eine erleichterte Einwanderung in die Schweizer Sozialwerke.

Wie ist der Stand heute? Einzig bei den staatlichen Beihilfen ist eine Lösung wahrscheinlich. Doch schon bei den flankierenden Massnahmen steht die Schweiz vor einem Scherbenhaufen. Letztes Jahr hatte Cassis den Sozialpartnern den Auftrag erteilt, hier einen Lösungsvorschlag zu erarbeiten. Recherchen zeigen nun: Ein Lohnschutz-Kompromiss, der dem Rahmenabkommen den Weg ebnen würde, bleibt Wunschdenken. Wie BLICK weiss, haben die Sozialpartner den Bundesrat entsprechend informiert.

«Wir verteidigen den Lohnschutz»

Die Gewerkschaften weichen keinen Iota von ihrer harten Linie ab. «Unsere Haltung ist immer die gleiche: Wir verteidigen den Lohnschutz», bekräftigt Gewerkschaftsbund-Präsident und SP-Nationalrat Pierre-Yves Maillard (52). Durch das jetzige Abkommen werde dieser attackiert.

Auch Travailsuisse-Präsident Adrian Wüthrich (40) macht klar: «Es gibt keine neue Lösung für die flankierenden Massnahmen.» Diese seien für den Schutz der Löhne und Arbeitsbedingungen in der Schweiz wichtig. «Deshalb sind wir nicht bereit, den Lohnschutz runterzuschrauben.»

Kautionspflicht soll bleiben

Ähnlich tönt es bei Gewerbedirektor Hans-Ulrich Bigler (62): «Die flankierenden Massnahmen sind und bleiben unantastbar.» Die Kautionspflicht sei für das Gewerbe besonders wichtig. Den Gewerblern ist insbesondere das Preisdumping durch Scheinselbständige ein Dorn im Auge.

Einzig der Arbeitgeberverband sieht das Abkommen grundsätzlich positiv. Eine 3:1-Situation also. In ihrem Schreiben an den Bundesrat verlangen die Sozialpartner nun, Bern müsse in Brüssel nochmals vorstellig werden. «Es braucht fundamentale Änderungen am Vertragstext», so Maillard. «Der Bundesrat muss das Rahmenabkommen neu verhandeln.»

Was jetzt? Laut BLICK-Informationen will der Bundesrat den Sozialpartnern nun eine eigene Lösung präsentieren. Eine, die weder den Gewerkschaften noch dem Gewerbeverband gefällt.

Die zweite Knacknuss ist die Unionsbürgerrichtlinie. Dem Bundesrat schwebt vor, diese so stark einzuschränken, dass faktisch bloss die heutige Personenfreizügigkeit weiterbestünde, aber keinerlei weitere Einwanderung in unsere Sozialwerke stattfinden könnte.

Was dann folgt, ist Eiszeit

Die Landesregierung möchte mit ihren Vorschlägen zu den drei offenen Punkten möglichst rasch nach Brüssel. Entgegenkommen erwartet der Bundesrat aber wohl nur bei den Beihilfen. Man ist sich bewusst: Bei flankierenden Massnahmen und Unionsbürgerrichtlinie dürfte Bern in Brüssel auf Granit beissen.

Dann muss der Bundesrat entscheiden, ob er das vorliegende, ungenügende Abkommen unterschreibt und dem Parlament vorlegt. Dort wird es Schiffbruch erleiden. Oder ob der Bundesrat selbst Verantwortung übernimmt und das Abkommen für tot erklärt.

Die überwiegende Mehrheit der Landesregierung, so heisst es, glaubt selbst nicht mehr an den Vertrag. Man überlege sich eher, wie man Brüssel am wenigsten vor den Kopf stosse, wenn man erklärt, das Rahmenabkommen sei gescheitert. Denn anzunehmen ist: Was dann folgt, ist Eiszeit.


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