Die Gewerkschaften verteilen Anfang September ein Extrablatt gegen die Begrenzungs-Initiative der SVP in rund zwei Millionen Haushaltungen.
Doch jetzt kommt ihnen die SVP mit ihrem eigenen Extrablatt zur Abstimmung vom 27. September zuvor. Die Partei rührt mit grosser Kelle an: Rund 4,4 Millionen Stück werden am Freitag in alle Haushaltungen der Schweiz verteilt. Das grosse Schlagwort dabei: «Wir wollen keine 10-Millionen-Schweiz!»
Maurer: «Sozialer und wirtschaftlicher Sprengstoff»
Was auffällt: Auch die beiden SVP-Bundesräte Ueli Mauer (69) und Guy Parmelin (60) kommen im Extrablatt zu Wort. Obwohl die Landesregierung die Initiative ablehnt, nutzt insbesondere Maurer die grosse Bühne. Und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund. «Auch der liberale Staat muss tätig werden, wenn Entwicklungen aus dem Ruder laufen», schreibt Maurer. «Denn wenn er bei offensichtlichen Auswüchsen und Missständen nicht handelt, lässt er seine Bürgerinnen und Bürger im Stich.»
Maurer liefert auch die passenden Stichworte für den Abstimmungskampf. Etwa die Themen Bodenknappheit, Eigenständigkeit und zu guter Letzt der Produktionsfaktor Arbeit. Hier liefert er seine Partei massive Schützenhilfe: «Die Schweiz erlebte in den letzten Jahren eine unglaublich starke, ungesteuerte Zuwanderung», schreibt er im Extrablatt.
«Dadurch ist das eingespielte Gleichgewicht verloren gegangen.» Löhne entwickelten sich nur schwach oder stagnierten, gleichzeitig würden Immobilienpreise und Mieten steigen, moniert Maurer. Für viele sei das schon bei guter Konjunktur eine schwierige Situation. «In einer Krise dagegen wird daraus sozialer und wirtschaftlicher Sprengstoff.»
Wohlkalkulierte Provokation
Der SVP-Magistrat ruft in seinem Beitrag zwar nicht direkt zu einem Ja auf. Trotzdem macht er klar, wo er steht. Ganz im Gegensatz zu Parmelin: Von ihm kommt nur ein kurzes, unverfängliches Statement zum Wert der einheimischen Landwirtschaft. Dass sein Konterfei im Extrablatt erscheint, erstaunt trotzdem – zum Ärger seiner Partei hat sich der Wirtschaftsminister schon gegen die Initiative ausgesprochen.
Der Fall ist klar: Maurer stösst mit seinen Äusserungen in ein Wespennest. Er ritzt, ja bricht damit das Kollegialitätsprinzip in der Landesregierung. Nichts von «gebührender Zurückhaltung», wie es der bundesrätliche Verhaltenskodex im sogenannten Aide-mémoire verlangt.
Bei Maurers Finanzdepartement will man von einer Verletzung des Kollegialitätsprinzips allerdings nichts wissen. Auf Anfrage von BLICK heisst es kurz und knapp: «Bundesrat Maurer hält sich wie seine Kolleginnen und Kollegen an das Aide-Memoire des Bundesrates.»
Eine wohlkalkulierte Provokation à la Maurer. Die Empörung der anderen Parteien ist ihm jedenfalls sicher.
Esther Friedli verteidigt Maurer
Das weiss auch SVP-Nationalrätin und Kampagnenleiterin Esther Friedli (43, SG). «Ueli Maurer macht keine Abstimmungsempfehlung, sondern bringt in seiner Auslegeordnung ein wichtiges Themenfeld auf den Punkt», wehrt sie gegenüber BLICK aber ab. Er mache darauf aufmerksam, dass es ein Gleichgewicht zwischen den Faktoren Boden, Kapital und Arbeit geben müsse, um ein erfolgreiches Land zu sein. «Die Linken hingegen wollen offensichtlich alles der Wirtschaft überlassen. Gelungen für eine Partei, die den Kapitalismus abschaffen will», meint sie süffisant.
Kritik an Maurer lässt Friedli denn auch nicht gelten. «Er hat eine längerfristige und internationale Perspektive und verkauft seine Seele nicht an Brüssel», sagt die St. Galler Nationalrätin.
Mehr zur Bergrenzungs-Initiative
Stattdessen nimmt sie Justizministerin Karin Keller-Sutter (56) ins Visier: «Sie macht unzählige Auftritte und führt eine masslose Kampagne gegen unsere Initiative.» Sie verweist darauf, dass Keller-Sutters ehemaliger Kommunikationschef nun die Nein-Kampagne von Operation Libero führt. «Eine Organisation ohne demokratische Legitimation und mit intransparenter Finanzierung», so Friedli. «Das nenne ich Filz.»
SVP-Attacke gegen Gewerkschaften
Auch die Angriffe der Gewerkschaften pariert die SVP-Nationalrätin. «Wenn man die Zuwanderung kontrolliert, werden auch die Löhne stabilisiert, und es gibt weniger Lohndumping», so Friedli. «Die flankierenden Massnahmen wollen die Gewerkschaften nur behalten, weil sie sich mit Lohnkontrollen und Zwangsabgaben bei den Gesamtarbeitsverträgen eine goldene Nase verdienen.»
Der Abstimmungskampf ist damit jedenfalls lanciert. Auch wenn es für die SVP gemäss Umfragen derzeit nicht besonders gut aussieht. Kampagnenleiterin Friedli zeigt sich trotzdem optimistisch. «Das Ja-Lager ist im Aufschwung», sagt sie. «Und in der jetzigen Krise merken die Leute erst recht, wie wichtig eine kontrollierte Zuwanderung ist.»
Die Schweiz stimmt wieder ab: Erklärungen zu allen Initiativen, aktuelle News und prominente Stimmen zum Thema finden Sie hier.
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