Deshalb verliert die SVP
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BlickPunkt von Christian Dorer:Deshalb verliert die SVP

BlickPunkt über die Begrenzungs-Initiative
Warum die SVP verlieren wird

Vor sechs Jahren gelang der Schweizerischen Volkspartei mit ihrer Masseneinwanderungs-Initiative ein Überraschungssieg. Mit der Begrenzungs-Initiative dürfte sie scheitern. Daran ist die SVP selber schuld.
Publiziert: 21.08.2020 um 23:09 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2020 um 20:52 Uhr
Christian Dorer, Chefredaktor der Blick-Gruppe.
Foto: Shane Wilkinson
Christian Dorer, Chefredaktor Blick-Gruppe

Natürlich steht das Abstimmungsergebnis erst am Abend des Urnengangs fest. Die Masseneinwanderungs-Initiative ist das beste Beispiel dafür: Zur Überraschung aller wurde sie 2014 mit 50,3 Prozent der Stimmen angenommen.

Bei der Begrenzungs-Initiative vom 27. September geht es wieder um die SVP, wieder um die Zuwanderung und wieder um das Verhältnis zu Europa. Aber diesmal steht ein Nein so gut wie fest. Hier sind die Gründe dafür:

  1. 2014 ist nicht 2020. Damals traf die SVP einen Nerv. Die Zuwanderung stand ganz oben auf dem Sorgenbarometer. Diese Stimmung entlud sich in einem Ja.

  2. Die Migration hat abgenommen. 2013 und 2014 wanderten netto mehr als 80’000 Menschen pro Jahr aus der EU in die Schweiz ein. 2019 waren es noch 32’000.

  3. Den Arbeitslosen geht es besser. Die Initiative von 2014 brachte gewisse Verbesserungen auf dem Arbeitsmarkt – etwa, dass freie Stellen hiesigen Bewerbern zuerst gemeldet werden.

  4. Die Bilateralen sind in Gefahr. Während die erste Initiative viel Spielraum liess, geht es jetzt um Ja oder Nein zu den bilateralen Verträgen. Viele denken wie Credit-Suisse-Chef Thomas Gottstein (56); in der «Weltwoche» schrieb er: «Bei der Masseneinwanderungs-Initiative habe ich aus Überzeugung Ja gesagt. Jedes Land muss die Zuwanderung selber kontrollieren. Dieses neue Volksbegehren aber geht mir zu weit.»

  5. Unsere Verhandlungsposition wird geschwächt. Die Initiative verlangt, dass der Bundesrat die Personenfreizügigkeit innert zwölf Monaten wegverhandelt – oder sie aufkündet. Damit wären automatisch alle sechs anderen Bilateralen hinfällig. Jeder Verhandlungsführer, der unter Zeitdruck steht, hat schon verloren. Weil die Gegenseite einfach zuwarten kann.

  6. Die Zeiten sind unsicher genug. In Krisen wagen die Bürger keine Experimente – die Gefährdung der bilateralen Verträge wäre zweifellos hochriskant.

  7. Isolation ist keine Antwort. Im Lockdown mussten wir erleben, welche drastischen Auswirkungen geschlossene Grenzen haben. Die fand niemand gut.

  8. Abschreckung durch den Brexit. In Grossbritannien herrscht nach dem EU-Ausstieg Katerstimmung. Nicht einmal das viel mächtigere Königreich bekommt offenbar einen günstigen Deal mit Brüssel hin.

  9. Es fehlt eine Identifikationsfigur. Können Sie einen Vertreter der SVP nennen, der an vorderster Front glaubwürdig für die eigene Initiative kämpft?

  10. Die SVP macht auf Gaudi. Marco Chiesa, der künftige Präsident der Volkspartei, fiel bisher einzig mit seinem Vorschlag in der SRF-«Rundschau» auf, Christoph Blocher möge seine hoch umstrittene Bundesratsrente für den Abstimmungskampf spenden ...

Diese zehn Gründe machen einen Sieg der SVP unwahrscheinlich – allzu fest triumphieren sollten die Gegner trotzdem nicht: Die Übervölkerung bleibt eine grosse Sorge vieler Schweizerinnen und Schweizer, denen es auf den Strassen, in den Zügen und an den Seeufern unseres Landes schon jetzt zu eng ist. Die 10-Millionen-Schweiz im Jahr 2050, wie das Bundesamt für Statistik sie prophezeit, ist für viele ein Horrorszenario.

Wir dürften also schon bald über die nächste Zuwanderungs-Initiative abstimmen.

Alle Abstimmungen auf einen Blick

Die Schweiz stimmt wieder ab: Erklärungen zu allen Initiativen, aktuelle News und prominente Stimmen zum Thema finden Sie hier.

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