Etwas vom Schlimmsten in der Politik ist es, seine Wählerschaft anzulügen. Für Schlagzeilen sorgte diesen Frühling der Wechsel von Isabel Garcia (60) von den Grünliberalen zur FDP. Nur elf Tage nach ihrer Wahl zur Zürcher Kantonsrätin fand sie, sie wäre lieber FDP-Mitglied – wohlwissend, dass sie auf der Liste der Freisinnigen kaum gewählt worden wäre.
Aktuell macht ein Wechsel in die andere Richtung von sich reden: Der Sohn des abtretenden Zürcher Ständerats Ruedi Noser (62), David Noser, geht zur GLP.
Generell ist es schwierig, wenn Kandidaten einer Partei nach den Wahlen zu einer anderen Partei wechseln oder plötzlich eine andere Haltung als zuvor vertreten. Zufall oder nicht: Auffallend ist dabei, dass immer wieder die GLP tangiert ist.
Versprechen sollen nicht mehr gelten
Und nun schon wieder die GLP: Versprach die Stadtberner Ortspartei noch diesen Sommer, bei den Wahlen für die Berner Stadtregierung, also den Gemeinderat, nicht gemeinsame Sache mit der SVP zu machen, soll das plötzlich nicht mehr gelten.
Wer also die beiden Berner Nationalrätinnen Kathrin Bertschy (44) oder Melanie Mettler (45) unterstützte, tat dies im Oktober zwar im Glauben, dass deren GLP Distanz zur SVP wahre. Tatsächlich bestätigen sich aber Recherchen des Portals «Hauptstadt», wonach das Berner GLP-Versprechen zur SVP nicht mehr sicher gilt.
Gemeinsame Sache mit der SVP
In der Bundesstadt ist die Linke seit Jahren eine Macht. Rot-Grün hat mit vier Sitzen die Mehrheit in der Stadtregierung. Der eben in den Nationalrat gewählte Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause (52) ist als Mitte-Politiker der einzige Nicht-Linke in der Exekutive. Zusammen zementieren Rot-Grün-Mitte (RGM) die Regierung – auch weil diese im Verhältniswahlverfahren (Proporz) gewählt wird.
Wie die «Hauptstadt» berichtete, soll nun aber eine breite Allianz von Mitte bis SVP im Hinblick auf den Berner Wahlherbst 2024 zusammenspannen. Mit dabei sollen neben der SVP auch die FDP, die Mitte, die EVP und eben auch die GLP sein.
Geschwätz von gestern
Neu zu besetzen gilt es 2024 die Sitze der abtretenden Grünen Franziska Teuscher (65) und von SP-Finanzdirektor Michael Aebersold (61). Auch Nause tritt ab. Um nicht nur für Letzteren eine bürgerliche Vertretung in die Stadtregierung zu bringen, sondern um gleich zwei Sitze zu erobern, wird eine breite Allianz diskutiert.
Im Juni hatte der Stadtberner Co-GLP-Präsident Michael Ruefer (37) in den Berner Tamedia-Zeitungen noch gesagt, ein gemeinsamer Wahlkampf mit der SVP würde als unglaubwürdig wahrgenommen. Jetzt plötzlich will er sich gegenüber Blick nicht mehr zum Thema äussern.
Eigene Ambitionen wichtiger
Parteimitglieder bestätigen hinter vorgehaltener Hand jedoch, dass innerhalb der GLP eine Auseinandersetzung darüber entbrannt ist, ob man sich mit der SVP ins Bett legen soll oder nicht.
Während die einen Mitglieder überzeugt sind, dass sich die Partei damit ihr eigenes Grab schaufeln würde, so ein involviertes Mitglied, fänden andere, man müsse unbedingt alles daran setzen, um künftig zwei Bürgerliche in der Stadtregierung zu haben, selbst man dazu mit der SVP gemeinsame Sache mache.
Vor allem diejenigen, die selbst gern für die Grünliberalen in die Stadtregierung wollen, sollen sich laut mehrere Quellen dafür aussprechen, ohne Scheu vor der SVP in den Wahlkampf zu ziehen.