Neue Datenbank findet Polit-Zwilling
Politisiert die GLP an ihren Wählern vorbei?

Eine neue Datenbank behauptet, dass die GLP-Parlamentarier am wenigsten so stimmen wie ihre Wählerschaft. Parteichef Jürg Grossen kann das nicht nachvollziehen. Was ist da dran?
Publiziert: 16.09.2023 um 14:43 Uhr
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Sie politisiert so wie der Durchschnittsschweizer: Isabelle Moret, ehemalige Nationalrätin, jetzt Staatsrätin im Kanton Waadt.
Foto: Keystone
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Tobias BruggmannRedaktor Politik

Welcher Politiker vertritt mich wirklich? Diese Frage stellen sich Bürgerinnen und Bürger ganz besonders vor dem Ausfüllen des Wahlzettels. Und jetzt gibt es Antworten. Das Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik der Uni Luzern hat untersucht, wie bürgernah die Politiker in Bern politisieren.

Auffällig: Die GLP-Politiker stimmten nur in 77,8 Prozent der Abstimmungen so, wie es ihre Wählerinnen und Wähler taten. «Wer die GLP unterstützt, wäre von SP oder den Grünen genauso gut vertreten worden», sagt Forschungsleiter Marco Portmann.

Gemeinsamer Nenner: Umweltpolitik

Das zeige sich insbesondere in der Aussen-, Sicherheits- und Wirtschaftspolitik, wo die Übereinstimmung der GLP-Parlamentarier mit ihrer Wählerschaft besonders tief ist, so Portmann. Dafür ist die Übereinstimmung in den Bereichen Verkehr und Umwelt oder Gesundheit und Soziales höher. «Ausserhalb der Umweltpolitik versucht die GLP mit einem Spagat sehr unterschiedliche Wählergruppen anzusprechen», vermutet Portmann. Nur die EVP hat mit 73 Prozent einen noch tieferen Wert. Den Höchstwert hat die SP mit 96,1 Prozent, die Grünen folgen mit 90,5 Prozent. 

Für die Untersuchung haben die Forscher die Schlussabstimmung im Parlament zu jenen Abstimmungen ausgewertet, wo es auch eine Volksabstimmung gab und diese dann mit den jeweiligen Nachwahlbefragungen verglichen.

«Am meisten Abstimmungen gewonnen»

Für GLP-Parteipräsident Jürg Grossen (54) ist das Ergebnis nicht nachvollziehbar. «Wir haben in der vergangenen Legislatur von allen Parteien die meisten Volksabstimmungen gewonnen. Das zeigt, dass wir nah am Volk politisieren.» Die unterschiedlichen Ergebnisse erklärt er mit der Methodik der Studie: Wenn mindestens die Hälfte der Stimmbürger in der Wählergruppe der Vorlage zustimmen, wurde dies als Zustimmung gewertet, sonst als Ablehnung. «Wir haben verhältnismässig viele Wechselwähler. Oft waren die Vorlagen vom Parlament zu wenig grünliberal ausgestaltet und deshalb nicht so eindeutig zu entscheiden», sagt Grossen. 

Dass auch die SP oder die Grünen die GLP-Wähler vertreten würden, hält er für «völlig unzutreffend»: «Wir hatten bei mehreren Vorlagen wie der OECD-Mindeststeuer, dem Freihandelsabkommen mit Indonesien, der Kampfjet-Beschaffung oder der AHV-Reformen andere Positionen als die Linken und waren entscheidend, dass diese vom Volk angenommen wurden.»

Baptiste Hurni ist der perfekte SPler

Interessant: Die Untersuchung beschränkt sich nicht nur auf Parteien, sondern untersucht auch einzelne Politiker. Auch hier sticht ein Name heraus: «Niemand stand dem durchschnittlichen Schweizer in den letzten beiden Legislaturperioden so nahe wie die Waadtländerin Isabelle Moret und der verstorbene Luzerner Albert Vitali», sagt Portmann.

Auf der anderen Seite findet man viele SP-Politiker, unter anderem der Nationalrat Baptiste Hurni (37). «Wir haben die Politiker jeweils mit der Mehrheitsposition verglichen. Daher ist es logisch, dass Mitglieder von Polparteien weniger erfolgreich sind.» Hingegen sei Hurni der «perfekte SP-Politiker». «Er vertritt in den meisten Abstimmungen die Haltung seiner Wählenden», so Portmann. 

Auch die Kantone haben die Forscher untersucht. Politiker aus den kleineren Kantonen wie Nidwalden, beiden Appenzell und Zug stimmen oft so ab, wie die Bevölkerung in ihrem Kanton. In grossen Kantonen wie Zürich oder Bern ist die Differenz grösser. «Das liegt am Wahlsystem», erklärt Portmann. «In kleineren Kantonen werden eher Konsenspolitiker gewählt, die eine Mehrheit finden, während in grösseren Kantonen auch die Polparteien ins Parlament kommen.» 

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