Berner Platte – die Blick-Kolumne von Aline Trede
Zeit für Familienzeit

Aline Trede über Chancengleichheit für Frauen durch mehr Elternzeit.
Publiziert: 10:46 Uhr
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Väter und Mütter sollen an der Erziehung gleichberechtigt beteiligt sein.
Foto: Beat Brechbuehl
Aline Trede*

Letzte Woche habe ich einen Anlass der Universität Bern besucht. Wir feierten den 150. Geburtstag der ersten ordentlichen Professorin Anna Tumarkin. Der Abend drehte sich natürlich in erster Linie um Professorin Tumarkin und ihr Leben, aber auch um Gleichstellung. Um Frauen in der Wissenschaft, Professorinnen und darum, «die erste Frau» zu sein. Virginia Richter beispielsweise ist die erste Direktorin der Universität Bern – und das notabene über 100 Jahre später, als Tumarkin die erste Professorin war. Heute sind über 60 Prozent der Studierenden an den Unis Frauen. Bei den Professorinnen sind es aber nicht einmal 30 Prozent. Wo ist der Fortschritt stecken geblieben, der Anfang des letzten Jahrhunderts so gut gestartet ist?

Es gibt viele Aspekte, die eine wirkliche Gleichstellung bis jetzt verhindern. Rollenbilder zum Beispiel, falsche Vorbilder oder das Kinderkriegen. Die Gleichstellung funktioniert in der Schweiz eigentlich ganz gut – bis Kinder auf die Welt kommen. Wo sind all die Frauen, die einen Uniabschluss haben? Warum sind sie, je weiter oben in der Hierarchie wir schauen, immer weniger vertreten? Wo sind sie in den Chefetagen, an den politischen Spitzen, in Verbänden?

18 Wochen für beide Elternteile

Diesem Aspekt soll und wird die Familienzeit-Initiative etwas entgegensetzen, die im Frühling offiziell von einer breiten Allianz lanciert wird. Sie fordert eine paritätische Aufteilung der Elternzeit von je 18 Wochen für beide Elternteile. Denn es geht nur zusammen mit den Vätern oder dem anderen Elternteil. Auch sie müssen wollen. Eine Familie soll die nötige Zeit haben, um die neue Situation zu regeln, aufzubauen und mit weniger Stress alles zu organisieren. Wenn Männer und Frauen bei der Arbeit gleichberechtigt fehlen, wird ein Nachteil aus der Welt geschaffen und mehr Frauen werden im Arbeitsmarkt bleiben. Männer dagegen werden mehr Carearbeit und Kinderbetreuung leisten.

Wir leben in einem Land mit vielen Möglichkeiten. Diese sollen allen zugutekommen. Chancengleichheit ist nicht nur beim Elternwerden ein Ziel, das wir gemeinsam verfolgen sollten, sondern in allen Lebensbereichen.

* Aline Trede ist Fraktionschefin der Grünen im Nationalrat und Umweltwissenschaftlerin. Sie schreibt hier jeden zweiten Sonntag – im Turnus mit SVP-Nationalrat Alfred Heer. 

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