Dicke Luft bei Avenir Suisse: Wie SonntagsBlick erfahren hat, wollen bestimmte Kräfte im Stiftungsrat der liberalen Denkfabrik Peter Grünenfelder loswerden. Eine Shortlist mit den Namen von Austauschkandidaten soll bereits existieren. Zwar steht der Direktor des Thinktanks bereits seit seinem Antritt vor bald sieben Jahren in der Kritik. Doch nun scheint die Lage zu eskalieren.
Auslöser war Grünenfelders vergeblicher Wahlkampf für einen Sitz im Zürcher Regierungsrat. Mit seiner schneidenden Rhetorik und scharfer Kritik sowohl an der Ausgabenpolitik des Kantons wie an Bildungsvorsteherin Silvia Steiner (64, Die Mitte) machte er sich nicht nur im Politestablishment unbeliebt. Er kam auch bei Wählerinnen und Wählern schlecht an.
Zum Teil überraschte der FDP-Mann mit irritierenden Positionsbezügen. Vor seiner Kandidatur weibelte er noch für das Rahmenabkommen und eine Weiterentwicklung der Beziehungen zur Europäischen Union. Im Wahlkampf aber äusserte er sich kaum noch zum Umgang mit Brüssel. Vielmehr suchte er die Nähe zur SVP und verbreitete stolz, dass Christoph Blocher (82) ihn zur Wahl empfahl.
Es nützte alles nichts. Auch nicht, dass der 55-Jährige sein Familienleben mit Baby und Ehefrau in der Öffentlichkeit thematisierte. Grünenfelder ist mit FDP-Nationalrätin Christa Markwalder (47) verheiratet und hat mit ihr ein Kind.
Die «NZZ» nannte Grünenfelder in einer Wahlanalyse «den Gescheiterten». Er selbst fand, er sei der richtige Kandidat gewesen, mit Ecken und Kanten. Trotzig kommentierte er seine Niederlage: «Die Zeit ist offenbar noch nicht reif für eine breite Erneuerung im Kanton Zürich.»
Denkfabrik als FDP-Durchlauferhitzer
Der tiefer liegende Grund für das Zerwürfnis ist, dass Grünenfelder Avenir Suisse untrennbar mit der FDP verschweisst hat. Zwar baute er die Denkfabrik schon vorher zum Durchlauferhitzer für FDP-Positionen um. Doch spätestens mit seinem Einstieg ins Rennen um den Regierungsrat wurde offenkundig, dass zwischen der Partei und Avenir Suisse kein Blatt mehr passte.
«Inzwischen ist Avenir Suisse ein Stück weit zu einer FDP-Denkfabrik geworden», sagte Ökonom Peter Buomberger (73), einer der Initiatoren der Organisation, bereits vor einem Jahr der linken Zeitung «P.S.» Für einige Stiftungsräte hat Grünenfelder damit eine No-go-Zone betreten.
Auch seine Vorgänger waren klar liberal positioniert. Doch weder der frühere «NZZ»-Wirtschaftschef Gerhard Schwarz (71) noch Thomas Held (76) gehörten einer Partei an. Sie nahmen sich die Freiheit, Denkanstösse in alle Richtungen zu geben – und mit ihren Positionen auch bei der FDP anzuecken.
33 Manager, fast alle männlich
Im Stiftungsrat von Avenir Suisse sitzen 33 meist männliche Wirtschaftsführer, welche die grössten Konzerne der Schweiz vertreten: Schwergewichte wie Paul Bulcke (Néstle), Jörg Reinhardt (Novartis), Peter Voser (ABB) oder Sergio Ermotti (Swiss Re). Auch CS-Präsident Axel Lehmann ist mit Mitglied des Gremiums.
Stiftungsratspräsident ist Michel Liès (69) von der Zurich Versicherung. Der Luxemburger leitet auch den sogenannten Leitungsausschuss, das eigentliche Machtzentrum der Stiftung, zuständig für die Überwachung der operativen Tätigkeit und die Genehmigung von thematischen Schwerpunkten.
SonntagsBlick kontaktierte Michel Liès mit Fragen zur Zukunft von Peter Grünenfelder und zu möglichen Nachfolge-Kandidaten. Er liess die Anfrage unbeantwortet. Der St. Galler Professor Reto Föllmi (47), ebenfalls im Leitungsausschuss, wollte sich nicht am Telefon äussern. Ebenfalls nicht reagiert haben der Industrielle Giorgio Behr (74) und Andreas Schmid, der bis 2020 Präsident von Avenir Suisse war und heute Mitglied des Nominationsausschusses ist.
Die frühere BKW-Chefin Suzanne Thoma (61), die heute den Industriekonzern Sulzer führt, Vizepräsidentin der Stiftung und Vorsitzende des Nominationsausschusses ist, liess lediglich wissen, sie könne sich zu Problemen der Denkfabrik nicht äussern, da ihr keine bekannt seien. Peter Grünenfelder selbst reagierte am Telefon gereizt auf Fragen zu seiner Zukunft bei Avenir Suisse und darauf, ob er sich vom Stiftungsrat noch getragen fühle. Zu einer Stellungnahme war er nicht bereit.
Doch kommt es demnächst zum Eklat, wird Grünenfelder den liberalen Thinktank verlassen müssen? «Alles ist möglich», sagt ein Stiftungsrat, der um Vertraulichkeit bat. Bleibt Grünenfelder, dürften jedoch einige eher konservativ gefärbte, EU-skeptische Exponenten ihr Engagement überdenken.
In Luzern entsteht mit der Stiftung Schweizer Wirtschaftspolitik um Professor Christoph Schaltegger (50) und Ex-«NZZ»-Feuilleton-Chef René Scheu (48) eine Konkurrenz-Plattform. Sie ist konservativer positioniert und hat keine parteipolitische Schlagseite. Zu ihren Geldgebern gehören Industrielle wie Alfred N. Schindler und Michael Pieper.
*Der Journalist Beat Schmid schreibt im SonntagsBlick über Finanzthemen. Er ist Herausgeber des Onlinemediums tippinpoint.ch
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