Es menschelt in der Politik. Das ist an sich nichts Aussergewöhnliches, zumal unsere Gesetze nicht von Robotern gemacht werden. Was sich vergangene Woche im altehrwürdigen Nationalratssaal abspielte, übertrifft die alltäglichen Animositäten allerdings bei weitem – und wird wohl als eine der verrückteren Episoden in die Geschichte des Bundesparlaments eingehen.
Schauplatz war die FDP-Fraktion. Deren Mitglieder dürften sich beim Auftakt der Frühlingssession gewundert haben, als sie die plötzliche Rochade bemerkten: Die Berner Abgesandte Christa Markwalder (47) hatte ihren Platz geräumt und sich eine Reihe weiter vorn niedergelassen. Fortan sitzt sie neben dem St. Galler Marcel Dobler (42). Auf Markwalders bisherigem Stuhl nahm der Walliser Philippe Nantermod (38) Platz.
Verbündete im Europadossier
Das Manöver besiegelt den Bruch zwischen zwei langjährigen Weggefährtinnen: Wie SonntagsBlick in Erfahrung bringen konnte, hielt es Markwalder nicht mehr länger aus, neben Doris Fiala (66) zu sitzen.
Die Bernerin und die Zürcherin waren seit fünfeinhalb Jahren Nachbarinnen im Ratssaal und noch viel länger politische Freundinnen. In manchen Dossiers passte kein Blatt Papier zwischen die beiden.
Sie kämpften Seite an Seite für Gleichstellungs- und Gesellschaftsthemen, sie wischten einander die Tränen ab nach dem Aus des EU-Rahmenabkommens am 26. Mai 2021. «Sie sitzen im Nationalrat nebeneinander und verstehen sich trotz ihres Altersunterschieds von 20 Jahren sozusagen blind», schwärmte die SRF-Boulevardsendung «Gesichter & Geschichten» im November 2021.
Erste Verwerfungen im Zürcher Wahlkampf
Die Sitzordnung im Parlament ist Sache der Fraktionen. Über den Grund von Markwalders Aktion, wie man sie eher in einem Primarschulzimmer als in der höchsten Legislative des Landes erwartet hätte, wird eifrig spekuliert. Im näheren Umfeld der Fraktion heisst es übereinstimmend, dass die gescheiterten Politambitionen von Markwalders Gatten Peter Grünenfelder (55) eine wichtige Rolle gespielt hätten.
Der Chef der Denkfabrik Avenir Suisse kandidierte am 12. Februar für einen Sitz im Zürcher Regierungsrat, verpasste jedoch – nach einer angriffslustigen und entsprechend umstrittenen Kampagne – den Einzug. Beim Ehepaar Markwalder-Grünenfelder sitzt der Frust dem Vernehmen nach tief; bei ihr dürfte die Nichtwahl Erinnerungen an ihre zwei vergeblichen Versuche geweckt haben, den Sprung in den Ständerat zu schaffen.
Avenir-Suisse-Chef Peter Grünenfelder
Vielleicht trifft der Zorn Fiala auch besonders, weil sich schon während Grünenfelders Wahlkampf erste Verwerfungen mit der einstigen Mitstreiterin abzeichneten. Fiala gehörte früh zu den Förderinnen von Grünenfelders Politkarriere, lud ihn als Redner an Europa-Anlässe ein und lobbyierte bei der Zürcher FDP für seine Nomination.
Doch sein forscher Auftritt mit teils libertär anmutenden Positionen entsprachen nicht dem Profil der konzilianten Zürcher Kommunikationsberaterin; der Thinktank-Chef stiess mit seinen Salven gegen die Amtsinhaber viele im eigenen Lager vor den Kopf.
Auch die freisinnige Wirtschaftsvorsteherin Carmen Walker Späh (65) geriet in Grünenfelders Visier– sie war einst von Fiala zum Einstieg in die Politik ermuntert worden und gilt bis heute als enge Vertraute der Nationalrätin.
Beide treten im Herbst ab
Die Folge: Grünenfelders ehemalige politische Ziehmutter weibelte für Walker Späh, fehlte aber prominent in seinem Unterstützungskomitee – und stand stattdessen für Testimonials zugunsten der sozialdemokratischen Konkurrentin Jacqueline Fehr (59) hin. Fiala erklärt ihren Support für Kulturministerin Fehr mit ihrem Amt als Präsidentin des Branchenverbands Pro Cinema.
Für Markwalder indes ist das kein Grund zur Milde, im Gegenteil: Getreu dem Motto «Feind, Todfeind, Parteifreund» beschuldigte sie Fiala in ihrem Furor vergangene Woche in der Wandelhalle, hinter einem kritischen SonntagsBlick-Artikel über den Wahlkampfstil ihres Mannes zu stehen, was Fiala zu Recht bestreitet.
Auf Anfrage schweigt die Zürcherin beharrlich, sie äussere sich nicht zu Interna. Auch bei Markwalder heisst es: «No comment.» Immerhin eine Gemeinsamkeit bleibt ihnen: Beide Frauen haben erklärt, bei den Wahlen im Herbst nicht mehr anzutreten.
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