Wahlkampf des Avenir-Suisse-Chefs sorgt in Zürich für Zoff
Das stille PR-Netzwerk hinter Peter Grünenfelder

Der FDP-Regierungskandidat irritiert mit seinem amerikanischen Kampagnenstil Freund und Feind. Er sorge wenigstens für etwas Bewegung in der Debatte, sagt einer seiner Kommunikationsberater.
Publiziert: 29.01.2023 um 00:04 Uhr
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Aktualisiert: 29.01.2023 um 09:54 Uhr
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Familienglück: In der «Schweizer Illustrierten» und auf seiner Homepage zeigt sich Grünenfelder mit Gattin Christa Markwalder und Baby Luca.
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Reza RafiChefredaktor SonntagsBlick

Zürich ist die Schweiz im Brennglas.

Wenn der Kanton am 12. Februar Regierung und Parlament neu bestimmt, hat dies Signalwirkung für die eidgenössischen Wahlen im Herbst. Für die Bürgerlichen wäre die politische Grosswetterlage günstig: Die Sicherheitsdebatte verdrängt Ökothemen, die SP Schweiz befindet sich im Formtief.

Doch vertiefen sich im Lager von SVP, FDP und Mitte bei manchen die Stirnfalten, wenn vom bürgerlichen Schulterschluss die Rede ist. Nicht wenige befürchten sogar, dass man einen Regierungssitz an die Sozialdemokraten verlieren könnte. Dabei erklingt immer wieder ein Name: Peter Grünenfelder.

«Friendly Fire» gegen Silvia Steiner

Der 55-jährige Direktor des Thinktanks Avenir Suisse und promovierte Betriebswirt will für die FDP in die Regierung. Er betreibt einen ziemlich aggressiven, für die Schweiz untypischen Wahlkampf nach amerikanischer Art: Dazu gehören das Zupflastern mit Inseraten, der Einsatz des eigenen Familienglücks und scharfe Angriffe gegen die Konkurrenz. Böse Zungen reden von «Negative Campaigning», was die Verantwortlichen vehement bestreiten.

Er selbst betont: «Ich habe nie auf die Person gezielt, mir geht es um die Sache.» Er sieht es genau andersrum: «Je inhaltsstärker ich argumentiere, desto mehr zielt man auf meine Person.»

Das haben nicht alle Mitstreiter so wahrgenommen. Sein «Friendly Fire» musste etwa Bildungsdirektorin Silvia Steiner (64) erdulden. Unablässig schiesst «Grüni» gegen das Schulsystem, das «zu stark mit sich selbst beschäftigt» sei, die «Komplexität im Klassenzimmer» und die «mangelhafte und äusserst kostspielige» integrative Schule.

Zürcher Wirtschaftspolitik im Sperrfeuer

Vielleicht ist dieses Sperrfeuer ein Grund, weshalb die Mitte-Politikerin laut Umfragen um ihr Amt zittern muss und ausgerechnet die linke Priska Seiler Graf (54) profitieren könnte. Ihm sei es nie um einen Angriff gegen Steiner gegangen, entgegnet der Herausforderer, «ich kritisiere die linke Schulpolitik».

Mindestens so viel Ärger löst Grünenfelder mit seinen Attacken gegen die Wirtschaftspolitik aus. «Der Kanton Zürich ist für Firmen ein Auswandererkanton», twitterte er einmal, jetzt müssten die «hausgemachten Probleme» gelöst werden. Überhaupt herrsche ein zu grosses Regulierungsdickicht. Das Dossier liegt bei der Exekutive in den Händen von Carmen Walker Späh (64), Grünenfelders freisinniger Partei- und Wahlkampfkollegin.

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«Je inhaltsstärker ich argumentiere, desto mehr zielt man auf meine Person.»
Peter Grünenfelder, FDP-Regierungskandidat
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Man kann die Reaktionen in den eigenen Reihen erahnen. Die «NZZ am Sonntag» zitierte Anonyme, die über die «Nestbeschmutzung» stänkern.
Umso lieblicher inszeniert sich der Angesprochene mit seiner ansonsten nicht allzu medienbegeisterten Gattin Christa Markwalder (47) und Kind Michel Luca auf sechs Seiten in der «Schweizer Illustrierten» («Er ist das allerliebste Baby»).

Die Kampagne soll 300'000 Franken kosten

Hinter Grünenfelders Kampagne steht Patrick Marty von der Zürcher Agentur CRK. Die Firma betreut auch Walker Spähs Wahlkampf. 2017 sagte Marty dem Branchenportal «Persönlich»: «CRK ist in der Lage, den gesamten Weg der digitalen, aber auch analogen Customer Journey abzudecken. So motivieren wir Personen zu einem gewünschten Entscheid – sei es ein Einkauf, eine Konferenzteilnahme oder eine Wahlentscheidung.»

Gegenüber SonntagsBlick weist der Berater weit von sich, dass das «Hard Campaigning» zu seinem Repertoire gehöre. Marty sagt: «Peter Grünenfelders Kampagne ist inhaltsstark, sie bewegt, schafft Aufmerksamkeit und setzt Themen.» Mit seinem Zehn-Punkte-Programm für den Kanton hat er die Debatte bereichert, das muss man ihm lassen.

Das Ganze kostet. Der Kandidat hat die Zahl von 300'000 Franken offengelegt. Insider schätzen den gesamten Aufwand auf eine halbe Million, was Grünenfelders Lager bestreitet. Sicher ist, dass eine ganze Schar von Profis mitmischt. Als eigentlicher Wahlkampfmanager wirkt Deloitte-Consultant Andreas Hammer (53), Ex-Geschäftsführer der kantonalen FDP. Für die Social-Media-Präsenz ist der ehemalige FDP-Wahlkampfleiter Marcel Schuler (34) mit seiner Firma Campaigneers zuständig («56 Abstimmungen, 48 Siege, 9 Wahlkampagnen»).

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«Seine Kampagne setzt Themen.»
PR-Berater Patrick Marty
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Sein Quereinstieg in die Politik hat aber noch andere Eltern. Rückblende ins Jahr 2019: FDP-Nationalrätin Doris Fiala (65) veranstaltete am 8. März im «Metropol» unweit der Zürcher Bahnhofstrasse eine Veranstaltung für das Rahmenabkommen mit der EU («Flagge zeigen zugunsten der Schweiz»). Als Referent lud sie auch Grünenfelder ein. Er weibelte flammend für die Überwindung von «Denkblockaden» und für eine Weiterentwicklung der Beziehungen zu Brüssel.

Das Thema Europa ist verschwunden

Fiala gehörte zu seinen Förderinnen. Innerhalb des EU-freundlichen FDP-Flügels begann man ihn zu pushen, auch als Gegengewicht zum heutigen Parteipräsidenten Thierry Burkart (47), der gegen das «Insta» agierte. Eine Rolle spielte freilich auch Grünenfelders Ehefrau Christa Markwalder. Die Nationalrätin gehört zu den glühendsten Euroturbos im Freisinn.

Hinter den Kulissen begann sich in Zürich ein einflussreicher Unterstützerkreis aufzubauen, der alles auf den kantonalen FDP-Parteitag am 8. Februar 2022 hin ausrichtete, als die Delegierten ihren Regierungsanwärter an Walker Spähs Seite nominierten. In einem Coup gelang es, den Newcomer gegen den Küsnachter Gemeindepräsidenten, der die Ochsentour in der Partei zurückgelegt hatte, im ersten Wahlgang aufs Ticket zu heben. Auch Fiala erhob sich und hielt eine beherzte Rede für den geschmeidigen Chef der Denkfabrik.

Vom Thema Europa hört Grünenfelders Publikum heute nicht mehr viel. Stattdessen ist er vorletzte Woche an der Albisgüetli-Tagung der Zürcher SVP aufgetaucht und verbreitet seither stolz Christoph Blochers (82) Wahlempfehlung für ihn. Dafür fehlt Fiala pikanterweise in seinem Unterstützerkomitee.

Einen Punkt hat Grünenfelder, wenn er moniert, dass es an Wahlkampfboykott grenzt, wie sich die Amtsinhaber verhalten: «Die Bisherigen negieren die offenkundigen Probleme und Herausforderungen und verweigern jede ernsthafte Zukunftsdiskussion.» Für Diskussionen sorgt er hingegen zweifellos.

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