Wahlkampf auf Social Media
Darum setzt FDP-Grünenfelder auf Traktor-Fans

Im Ausland ist Onlinewerbung auch in der Politik Trumpf. Bei den Zürcher Wahlen zum Regierungsrat aber zeigt sich: Social Media sind für die meisten Kandidaten Neuland.
Publiziert: 05.02.2023 um 14:54 Uhr
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Aktualisiert: 07.02.2023 um 17:08 Uhr
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Thinktank-Direktor Peter Grünenfelder will in den Zürcher Regierungsrat. Dafür setzt er auch auf Social-Media-Werbung.
Foto: Keystone
Thomas Müller

Manche werben so bei Traktorfans, manche nur in der Agglomeration, die meisten gar nicht. Der Social-Media-Wahlkampf, mit dem Wähler individuell angesprochen werden können, hat sich – anders als im Ausland – in der Schweiz (noch) nicht durchgesetzt. Doch auch hierzulande schicken sich die ersten Politikerinnen und Politiker an, Facebook, Instagram und Co. zu erobern.

Die Zürcher Wahlen vom 12. Februar gelten als Stimmungsbarometer für den eidgenössischen Urnengang im Herbst. Wer hier triumphiert, dürfte wohl auch schweizweit gut abschneiden. In Zürich zeigt sich auch, welche Art von Kampagnen auf das Land zukommen.

Der parteilose Hans-Peter Amrein (64) buttert weitaus am meisten Geld in den Wahlkampf um den Zürcher Regierungsrat: Über 20'000 Franken gab er alleine online aus. Allerdings macht Amrein von den technischen Finessen einer Social-Media-Kampagne keinen Gebrauch: Er schaltet online dieselben Inserate wie auf Plakaten.

Raffinierter geht der FDP-Anwärter Peter Grünenfelder (55) vor. Der Chef von Avenir Suisse hat Profis ins Boot geholt und wirbt zielgerichtet – etwa bei den Fans von Traktoren und Agrarthemen. Pikant: Seit Bauernschreck Grünenfelder Chef der liberalen Wirtschaftsdenkfabrik ist, hat sich Avenir Suisse wiederholt gegen Subventionen in der Landwirtschaft ausgesprochen.

Eher Bürgerliche werden erreicht

Mit seinem neu entdeckten Faible für Landmaschinen zielt Grünenfelder auf eine ganz bestimmte Gruppe, die Wähler der SVP. Der Gedanke ist naheliegend: Sympathisanten dieser Partei mögen häufig auch Traktoren. Und wer sich beispielsweise im Facebook-Profil als Fan des Landmaschinenherstellers John Deere zu erkennen gibt und im Kanton Zürich lebt, bekommt darum jetzt Grünenfelder-Werbung zugespielt – denn mit FDP-Stimmen alleine schafft man keine Regierungsratswahl.

«Mit Mikrotargeting erreichen wir 150'000 eher Bürgerliche und fast keine Linken. Der Streuverlust ist viel geringer als bei anderen Massnahmen», erklärt Marcel Schuler (34), ehemaliger Onlinewahlkampfleiter der FDP. Schulers Firma Campaigneers hat die Onlinekampagne für Grünenfelder entwickelt.

Dies sei jedoch nur ein Element der Kampagne. Der zweite Teil: lokale Werbung mit lokal bekannten Persönlichkeiten, zum Beispiel eine Wahlempfehlung des jeweiligen Gemeindepräsidenten. Insgesamt investiert Grünenfelder 11'000 Franken in seinen Onlinewahlkampf. Damit liegt er auf Platz 2 der Zürcher Regierungsratskandidaten.

SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf (54) hält den dritten Rang. Sie zielt im Netz aber nicht auf Traktorliebhaber, sondern auf Regionen. Ihr gesamtes Social-Media-Budget investiert sie für Werbung in der Agglomeration.

Seiler Graf ist sicher, dass sie in den Städten gut ankommt. Deshalb will sie sich nun wohl jenseits der Zentren beliebt machen und betont ihre Herkunft: «Ich komme aus der harten Kern-Agglo.» Sie kenne daher die ortstypischen Probleme und Herausforderungen: «Dieses Merkmal bringen die anderen Kandidierenden nicht mit.» Laut Umfragen hat sie beste Chancen, den Sitz der Bildungsdirektorin Silvia Steiner (64, Mitte) zu erobern. Die Erziehungsdirektorin ist online praktisch nicht präsent.

«Schweizer Politiker haben Social Media noch nicht verstanden»

Die zur Wiederwahl antretenden Regierungsratsmitglieder betreiben kaum Wahlkampf. Mit 4000 Franken setzt der grüne Baudirektor Martin Neukom (36) auf Facebook und anderen Plattformen immerhin die meisten Mittel ein.

Generell ist digitaler Wahlkampf hierzulande noch nicht weit verbreitet. «Social Media wird in der Schweiz im Vergleich zum Ausland vernachlässigt, gerade in der politischen Werbung», findet Grünenfelders Campaigner Marcel Schuler. Das sei ein grosser Fehler.

An den Ausgaben gemessen, ist die SP im Onlinewahlkampf Spitzenreiterin. Im Januar gab sie verstreut über Kantonalpartei, Bezirksparteien und Kandidaten mehr als 50'000 Franken für Inserate auf Facebook und Instagram aus.

Auf dem zweiten Platz folgt die FDP mit rund 35'000 Franken. Ebenfalls aufs Podest schaffen es die Grünliberalen mit rund 20'000 Franken. Verglichen mit den Gesamtbudgets im Wahlkampf liegen jedoch alle Beträge sehr tief. Thomas Besmer (42) von Hutter Consulting, einer der führenden Agenturen für Social-Media-Werbung, sieht das Problem allerdings nicht bei den tiefen Budgets: «Es wird die gleiche Anzeige online geschaltet wie auf Plakaten. Das ist nur alter Wein in neuen Schläuchen.»

Das Urteil des Experten: «Viele Schweizer Politiker haben Social Media noch nicht verstanden.» So brauche es beispielsweise Videos, in denen ein Politiker hinsteht, sich mit den Menschen unterhält und Stellung zu Themen bezieht, die ihnen wichtig sind. Besmer: «So lernen die Wählerinnen und Wähler die Politiker kennen. Und nicht nur einen Kopf auf einem Plakat.»

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