Er war geschäftlich am Neubau der Schweizer Botschaft in Moskau beteiligt. 26 Jahre lang habe der Schweizer in Russland gelebt. Nun ist sein Name auf der Fahndungsliste des russischen Innenministeriums aufgetaucht. Gegenüber dem «Tages-Anzeiger» zeigt sich der Betroffene, der heute wieder in der Schweiz lebt, überrascht. Er habe in Russland nie Probleme gehabt.
Der Mann ist mit dem Problem nicht allein. Insgesamt zehn Schweizer stehen auf der russischen Fahndungsliste, die kürzlich vom oppositionellen Medium Mediazona online gestellt worden ist. Dass die Russen die Suche international ausweiten können, sei eher unwahrscheinlich. Interpol habe das Ansuchen bereits in bekannten Fällen abgelehnt.
Aus politischen Gründen auf der Liste
Wenn die Betroffenen aber nicht wissen, dass ihr Name auf der russischen Fahndungsliste steht, könne das für sie durchaus unangenehm werden. «Sie würden bei der Einreise nach Russland auf alle Fälle erst einmal inhaftiert», wird Mediazona-Redaktor Mika Golubowski zitiert.
Die veröffentlichte Liste stamme von Anfang Februar. Sie umfasst über 96'000 Namen – mit Geburtsdatum, Nationalität und mutmasslichem Aufenthaltsort. Nicht angegeben sind die Gründe für die Fahndung.
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Die meisten Personen stammen aus Russland oder den ehemaligen Staaten der Sowjetunion. Laut Mediazona sei bei vielen aufgrund öffentlich zugänglicher Gerichtsakten nachvollziehbar, dass sie wegen krimineller Aktivitäten gesucht werden. Rund 800 Personen seien aber klar aus politischen Gründen auf der Liste gelandet. Dazu zählt etwa die estnische Premierministerin Kaja Kallas (46), eine besonders scharfe Kritikerin Putins.
Im Dienst einer fremden Armee
Auf der Liste finde sich ein Baselbieter Düngemittel-Produzent, der vor Jahren an einem Übernahmekampf um einen russischen Ammoniakproduzenten beteiligt war. Er will dabei mit illegalen Methoden und durch willkürliche Strafverfolgung in Russland ausgebootet und enteignet worden sein.
Wenig überraschend steht auch Avi Motola (48) auf der russischen Fahndungsliste. Der Schaffhauser war in der Ukraine als Scharfschütze im Einsatz. Später wurde allerdings bekannt, dass der Söldner wegen verschiedener Delikte in der Schweiz im Gefängnis gesessen hatte und weiterhin gesucht wird. Zudem machte er sich mit dem Dienst in einer fremden Armee gemäss Schweizer Militärgesetz strafbar.
Schweiz wurde nie informiert
Weiter auf der Liste sind etwa ein IT-Unternehmer aus dem Aargau, der Inhaber eines Reisebüros im Kanton St. Gallen oder ein Genfer Asset-Manager mit einer Investmentfirma auf Zypern.
Das Aussendepartement (EDA) von FDP-Bundesrat Ignazio Cassis (62) sei von russischer Seite über die Fahndungsliste nicht informiert worden. Es habe auch «keine Kenntnis von Strafverfahren oder strafrechtlich relevanten Handlungen im Zusammenhang mit dem Bau der Botschaft». (dba)