Wegen Anti-Kriegs-Beitrag auf Instagram
Russische Studentin (19) als Terroristin eingestuft

Olessja Kriwtsowa (19) kritisierte in den sozialen Medien Russlands Einmarsch in der Ukraine. Ihre Mitstudenten verpfiffen sie. Nun könnte sie für lange Zeit ins Gefängnis wandern.
Publiziert: 22.01.2023 um 13:45 Uhr
1/5
Die 19-jährige russische Studentin Olesya Kriwtsowa.
Foto: Twitter

Die russische Studentin Olessja Kriwtsowa (19) macht gerade einiges durch. Nachdem sie im vergangenen Oktober, kurz nach der Explosion auf der Krim-Brücke, einen Instagram-Beitrag geteilt hat, in dem sie Russland für seine Kriegstreibereien kritisierte, steht sie nun laut einem Bericht der «Washington Post» unter Terrorverdacht.

Aufmerksam auf den Beitrag wurden Kriwtsowas Kommilitonen an der Universität der nordrussischen Stadt Archangelsk. Offenbar sollen zwei von ihnen unzufrieden mit ihren Antikriegsinhalten in den sozialen Medien gewesen sein. Sie machten Screenshots des Instagram-Beitrags sowie von weiteren Kommentaren. Anschliessend teilten sie die Beiträge in einem kleinen Chatroom der Messaging-App Telegram und meldeten sie auch noch den Behörden.

Drei Monate später wurden diese aktiv. Kriwtsowa hatte Schlimmes zu befürchten, denn die im vergangenen März verabschiedeten Gesetze, um öffentliche Kritik am Krieg zu unterdrücken, lassen Russlands Gesetzeshütern praktisch freie Hand.

Und tatsächlich: Die Behörden hielten die Beiträge in den sozialen Medien für ausreichend, um Kriwtsowa auf eine Liste von Terroristen und Extremisten zu setzen, auf der sich auch Mitglieder des Islamischen Staats, von Al-Qaida und der Taliban befinden. Zusätzlich wurde sie noch wegen Verunglimpfung der russischen Armee angeklagt.

«Dachte nicht, dass ich dafür verurteilt würde»

In einem Interview mit dem Lokalmedium «29.ru» zeigt sich die Studentin überrascht. «Als ich diese Beiträge schrieb, dachte ich nicht, dass ich dafür verurteilt würde.» Auch in den staatlichen Medien ist Kriwtsowa in aller Munde. Der Sender Rossija 24 strahlte kürzlich eine ihr gewidmete Talkshow-Folge aus, in der sie von den Gästen als «Idiotin» bezeichnete wurde. Ein eingeladener Politiker schlug gar vor, sie in die ostukrainische Donbass-Region zu schicken, damit sie den russischen Soldaten «in die Augen schauen» und die Gräber der gefallenen Soldaten besuchen könne.

Kriwtsowa steht nun unter Hausarrest und wartet auf einen Prozess, der ihr eine Gefängnisstrafe von bis zu 10 Jahren einbringen könnte. In den Augen der russischen Behörden ist die Studentin eine Wiederholungstäterin.

Schauprozess als Abschreckung

Kurz nach Kriegsausbruch geriet Kriwtsowa zum ersten Mal ins Visier der Behörden. Weil sie Antikriegsplakate im Zentrum von Archangelsk aufhängte, wurde sie wegen öffentlicher «Diskreditierung der russischen Streitkräfte» zu einer Geldstrafe von umgerechnet 400 Franken verurteilt.

Danach wurde die Studentin zweimal verhaftet, erstmals Ende Dezember. Ein Richter entschied, ihre Kommunikation einzuschränken, lehnte aber eine Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit ab, obwohl die Staatsanwaltschaft dies nachdrücklich gefordert hatte.

Einige Tage später wurde Kriwtsowa auf eine Fahndungsliste gesetzt und erneut inhaftiert. Weshalb, ist nicht klar. Laut Kriwtsowas Mutter wurde sie von den Ermittlern beschuldigt, Reisetickets gekauft zu haben, um das Land zu verlassen. Sie habe damit gegen die auferlegten Beschränkungen aus ihrer ersten Haftzeit verstossen.

Nun steht die Studentin erneut vor Gericht. Im Moment darf Kriwtsowa weder telefonieren noch das Internet benutzen. Da sie zudem als Terroristin eingestuft wurde, sind ihre Bankkonten gesperrt. Sie darf nicht mehr als 145 Dollar pro Monat für grundlegende Bedürfnisse ausgeben.

Experten gehen nun davon aus, dass sie in einem Schauprozess verurteilt wird. Kreml-Chef Wladimir Putin (70) will für Angst und Schrecken sorgen. Vor allem bei Menschen, die sich gegen die russische Invasion stellen. (ced)

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?