Mehr Diebstähle aus dem Auto, mehr schwere Gewalt, mehr Tötungsdelikte: Die neuste Kriminalstatistik zeigt, dass im Vergleich zum Vorjahr deutlich mehr Straftaten polizeilich registriert wurden. Zum Problem geworden sind insbesondere abgewiesene Asylsuchende aus dem Maghreb, die durch die Schweiz ziehen und Autos aufbrechen oder Läden überfallen.
Wenn eine Aargauer Polizistin aber herausfinden will, ob ein Krimineller auch andernorts bekannt ist, muss sie sämtliche Kantonspolizeien einzeln mittels Telefon oder Mail abklappern. Nur so kommt sie an deren Informationen.
Noch absurder: Was zwischen den Kantonen nicht geht, ist kein Problem mit anderen Staaten: Die Aargauer Polizistin bekommt dank des Schengen-Abkommens Daten aus Deutschland unkomplizierter als solche aus Solothurn.
Kantone werkeln schon lange
Polizeikorps im ganzen Land fordern deshalb einen nationalen Datenaustausch. Bei einem Bagatelldelikt wie einem Diebstahl aus einem Auto bekomme der Täter «wenn überhaupt, höchstens einen Strafbefehl», sagte der oberste Polizeikommandant Mark Burkhard (60) am Montag zu Blick. «Wenn der Beschuldigte aber in anderen Kantonen weitere Delikte begangen hat und wir die Zusammenhänge erkennen und aufzeigen können, sind wir auch vom Strafmass her in einem ganz anderen Segment.»
Die Kantone werkeln schon seit Jahren an einer einheitlichen Abfrageplattform. Technisch ist es kein Problem, doch der Kantönligeist steht im Weg. Die Kantone müssen ihre Gesetze aufeinander abstimmen. Dafür hat die Konferenz der Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) ein Konkordat geplant. Dass dies so lange dauert, begründet Generalsekretär Florian Düblin mit dem politischen Prozess. Man müsse viele Interessen berücksichtigen.
Zum Beispiel den Datenschutz: In der kürzlich zu Ende gegangenen Vernehmlassung wurde die nationale Plattform unter anderem von den Datenschützern stark kritisiert. Die Vorlage weise «schwere Mängel» auf, fand etwa der eidgenössische Datenschützer Adrian Lobsiger (64). «Ich wüsste nicht, warum die Urner Polizei bei einer Verkehrskontrolle sehen muss, dass Sie in Lausanne illegal Abfall entsorgt haben», sagte er kürzlich in einem NZZ-Interview.
Jetzt soll es schnell gehen
Geht es nach der KKJPD, soll es nun schnell gehen und die Kantone im kommenden November mit der Ratifikation beginnen. In Kraft tritt die Vereinbarung, sobald acht Kantone beigetreten sind. «Wie lange dies dauert, ist schwer abschätzbar», sagt Düblin. «Wir hoffen aber, dass die Vereinbarung im Verlauf des nächsten Jahres in Kraft tritt.»
Damit das Konkordat wirkt, müssen 26 Kantone mitmachen und jeweils ihre Gesetze anpassen. Dabei sind kantonale Abstimmungen und somit auch ein Nein möglich. Bis der Datenaustausch über alle Kantone funktioniert, könnten also Jahre vergehen.
Bund soll übernehmen
Auf Bundesebene hat man nicht so viel Geduld. Der Nationalrat fordert daher, dass der Bund die Fäden in die Hand nimmt und die Abfrage der Polizeidaten national regelt. Die Kantone müssten dann – anders als beim Konkordat – teilnehmen. «Wir wollen den Druck erhöhen. Bis das Konkordat voll wirkt, dauert es extrem lange. Der Staat muss aber schon jetzt für die Sicherheit der Bevölkerung sorgen», sagt Maja Riniker (FDP, 45).
Nur: Bei diesem Vorgehen braucht es eine Verfassungsänderung – und auch die dauert. Riniker ist überzeugt, dass es trotzdem effektiver ist. «Eine Verfassungsänderung dauert rund sechs Jahre. Danach sind aber alle Kantone verpflichtet, dabei zu sein», so Riniker. «Bis das Konkordat in einer Minimalvariante wirkt, dauert es im besten Fall auch einige Jahre. Doch dann sind wahrscheinlich noch nicht alle Kantone dabei.»