Die Chancen stehen schlecht. Das ist auch Präsident Balthasar Glättli (51) klar. Doch trotz ihrer Wahlschlappe vor einer Woche wollen die Grünen einen der zwei FDP-Bundesratssitze angreifen. «Wir treten nicht an, weil wir uns so und so hohe Chancen ausrechnen, sondern um klar und deutlich zu machen, dass wir einen legitimen Anspruch auf einen Sitz in der Regierung haben», so Glättli zur «Sonntagszeitung». «Es ist klar, dass wir auf Widerstand stossen werden.»
Das dürfte noch untertrieben sein. Wer in den nächsten Tagen seine Kandidatur für die Grünen bekannt gibt, läuft Gefahr, verheizt zu werden. Selber möchte Glättli denn auch seinen Hut nicht in den Ring werfen. Er halte an seinem Entscheid gegen eine persönliche Bundesratskandidatur fest. Die Grünen würden aber eine «überzeugende Kandidatur» präsentieren.
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Ohne Mitte ist der Angriff chancenlos
Wer bei den Gesamterneuerungswahlen am 13. Dezember für die Grünen antritt, dürfte allerdings eine untergeordnete Rolle spielen. Die Aussichten sind ohnehin schlecht. Von FDP und SVP ist mit hartem Widerstand zu rechnen. Sie haben keinerlei Interesse daran, ihre Regierungsmehrheit zu verlieren.
Auch mit der Hilfe der Mitte dürfen die Grünen nicht rechnen. Mehrfach hat Präsident Gerhard Pfister (61) klargestellt, dass seine Partei keine amtierenden Bundesräte abwählen wird. Was er nicht sagt: Über kurz oder lang könnte die Mitte nämlich selber einen zweiten Bundesratssitz anvisieren. Ein Grüner in der Regierung käme dem in die Quere – womit der jetzige Angriff chancenlos ist.
SP und GLP lassen sich noch nicht in die Karten schauen
Hoffen können die Grünen einzig noch auf Grünliberale und SP. GLP-Präsident Jürg Grossen (54) will sich aber noch nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Zwar ist auch für ihn die FDP im Bundesrat übervertreten: «Die Zauberformel hat ausgezaubert.» Eine Unterstützung durch die GLP hänge aber auch davon ab, ob «die Grünen geeignete Kandidatinnen und Kandidaten präsentieren können». Die Grünliberalen selber verzichten auf eine eigene Kandidatur.
Und nicht einmal die SP als natürliche Partnerin der Grünen will sich in die Karten blicken lassen. Zwar ist die bürgerliche Regierungsmehrheit auch den Sozialdemokraten ein Dorn im Auge, noch aber hütet sich die Partei vor Zusagen an die Grünen. Man zeigt sich einzig offen für Gespräche.
Die Zurückhaltung dürfte nicht ohne Grund sein. Der Angriff auf einen FDP-Sitz könnte zum Eigentor werden. Da die amtsälteren Bundesratsmitglieder zuerst wiedergewählt werden, könnte bei einer Abwahl in einem späteren Wahlgang einem SP-Mitglied dasselbe drohen. Ob die Sozis im bürgerlich dominierten Parlament ein solches Risiko eingehen wollen, bleibt fraglich. (dba)