Viele rieben sich am Samstag die Augen. Die Grünen wollen zu den Bundesratswahlen antreten, das gaben sie an einer Medienkonferenz bekannt. In der Woche hatte vieles noch in eine andere Richtung gedeutet. Die Öko-Partei hat bei den Wahlen von letztem Sonntag fünf Sitze im Nationalrat verloren und kommen neu noch auf 23 Mandate. Sie verloren national 3,4 Prozentpunkte an Wähleranteil.
Wer könnte nun über seinen Schatten springen und sich für eine vorerst wenig erfolgversprechende Kandidatur zur Verfügung stellen? Man habe bereits eine Shortlist, sagte Parteipräsident Balthasar Glättli (51). Er selbst wollte sich gegenüber Blick nicht dazu äussern, ob er eine eigene Kandidatur prüft.
Blick zeigt, welche Kandidatinnen und Kandidaten für eine grüne Kandidatur infrage kämen.
Mathias Zopfi
«Ich schliesse eine Kandidatur nicht aus», das sagt Ständerat Mathias Zopfi (39) gegenüber Blick. Bei Umweltthemen politisiert er links, bei Wirtschafts- und Finanzfragen eher bürgerlich. Ohne diese pragmatische Haltung hätte er es als Grüner nie nach Bundesbern geschafft. Denn Zopfi vertritt im Ständerat den Kanton Glarus, einen tief bürgerlichen Flecken auf der Schweizer Polit-Landkarte. Schafft er es aufs Ticket der Grünen, könnte seine politische Ausrichtung von Vorteil sein.
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Christine Häsler
Die Berner Bildungsdirektorin Christine Häsler (60) wird immer wieder als erste Grüne Bundesrätin gehandelt. Sie besitzt viel Erfahrung dank einer langen Politkarriere: 2002 Mitglied im Berner Grossen Rat, 2006 Fraktionspräsidentin des Kantons, von 2015 bis 2018 Nationalrätin und seither Bildungs- und Kulturdirektorin im Kanton Bern. Und all diese Wahlen hat sie auf dem Land gewonnen. Wie Zopfi ist sie pragmatisch unterwegs.
Bernhard Pulver
Aus dem gleichen Kanton kommt Bernhard Pulver (58). Auch er weiss, wie man regiert. Im Kanton Bern amtete er von 2006 bis 2018 als Erziehungsdirektor. Sein Nachteil: Er sass nie im Bundesparlament – und legte als Grüner Ständeratskandidat am Sonntag kein Glanzresultat hin. Selbst wenn er nun aufs Ticket aufsteigt, könnte Albert Rösti (56) zum Hindernis werden. Denn mit ihm sitzt bereits ein Berner in der Exekutive.
Martin Neukom
Der Kanton Zürich ist zurzeit nicht in der Landesregierung vertreten. Da käme der Zürcher Regierungsrat Martin Neukom (37) gerade gelegen, um dem bevölkerungsreichsten Kanton in Bundesbern wieder Gehör zu verschaffen. Als Präsident der Jungen Grünen Schweiz politisierte er bereits in jungen Jahren. Mit seiner Wahl zum Regierungsrat 2019 hatte niemand gerechnet. Neukom gilt als politischer Überflieger. Allerdings war er nie Teil des nationalen Parlaments, weshalb er in Bern schlecht vernetzt ist.
Brigit Wyss
Von 2007 bis 2011 war Brigit Wyss (63) Nationalrätin, seit 2017 ist sie Solothurner Regierungsrätin und steht dem Volkswirtschaftsdepartement vor. Schon 2010 war sie Bundesratskandidatin, damals war sie als Nachfolgerin von Hans-Rudolf Merz (80) ins Rennen gestiegen. Sie unterlag damals. Das könnte gegen eine erneute Kandidatur von ihr sprechen.
Lisa Mazzone
Im letzten Jahr wurde immer wieder die junge und gut vernetzte Genfer Ständerätin Liza Mazzone (35) als Bundesratskandidatin gehandelt. Die Ständerätin vertritt den Kanton Genf. Das spräche für eine Kandidatur, denn die grossen Städte sind in der Landesregierung nicht mehr vertreten. Jedoch gelang ihr nicht die Wiederwahl am Sonntag. Sie muss im zweiten Wahlgang um die Wiederwahl zittern. Ob sie nebenbei noch Zeit hat, sich um eine Bewerbung für den Bundesrat zu kümmern?
Bis zum nächsten Freitag können die Kandidaturen für einen Bundesratssitz der Grünen eingereicht werden. Eine Woche später, am 10. November, kommt die Fraktion zu einer ausserordentlichen Versammlung zusammen und entscheidet, wer antreten soll.