Alles halb so schlimm, alles «kein Drama». Armeechef Thomas Süssli (57) versuchte am Donnerstag zu beschwichtigen. Radio SRF hatte tags zuvor publik gemacht, dass die Armee in einer veritablen Finanzkrise steckt. Der Sender stützt sich dabei auf armeeinterne Unterlagen, die zeigen, dass man von der eigenen Finanzplanung abgewichen ist – mit der Folge, dass nun über eine Milliarde Franken fehlen.
Diesen Eindruck versuchte Süssli zu korrigieren. «Wir haben kein Finanzloch, und wir können alle Rechnungen bezahlen». Allerdings hat die Armee ausstehende Verpflichtungen von 13 Milliarden Franken. Dies, weil Rüstungsprojekte nicht sofort bei der Bestellung bezahlt werden müssen, sondern sich die Kosten über Jahre verteilen. Die Armee musste nun Verpflichtungen von 800 Millionen Franken von diesem Jahr ins nächste verschieben. Betroffen sind auch die Kampfjets. Dort hat man mit der US-Regierung nach Lösungen gesucht. Es gäbe deswegen keine Projektverzögerungen, betont Süssli.
«Finanzberg, den man vor sich herschiebt».
2025 müssten dann – wegen des erwarteten etwas höheren Budgets – noch 400 Millionen Franken auf 2026 verschoben werden und 2026 wiederum 200 Millionen Franken auf 2027. 2028 dürfte der Liquiditätsengpass überwunden sein. Dann könne die Armee wieder in die Stärkung ihrer Verteidigungsfähigkeit investieren, sagte Süssli. Es sei ein «Finanzberg, den man vor sich herschiebt».
Bereits vor acht Jahren hatte die Armee detailliert geplant, wie der Kauf eines neuen Kampfjets und die Verstärkung der Luftabwehr finanziert werden sollten. Gemäss SRF wich die Armee ab dem Jahr 2020 von diesem Plan ab. Und zwar, indem sie deutlich umfangreichere Rüstungskäufe bewilligte und andere Aufwände bei der Rüstung kompensierte. Dies habe nun zu erheblichen finanziellen Engpässen geführt.
Das Parlament wollte das Armeebudget ursprünglich bis 2030 auf ein Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) erhöhen. Der Bund aber muss sparen, deshalb wurde die Frist bis 2035 verlängert. Weil die Armee das Budget rasch erhöht hat, aber nicht so rasch wieder abbaut, steht man jetzt vor Problemen. Im «allerschlimmsten Fall» seien sogar Abbrüche von Rüstungsprojekten ein Thema.
Drastische Worte über Armee-Zustand
Drastische Worte fand Süssli für den Zustand der Armee. «Von sechs Panzerbataillons sind heute zwei vollständig ausgerüstet. Von vier Artillerie-Abteilungen ist es eine und von 17 Infanterie-Bataillons sind es sechs.» Die Situation sei auf politische Entscheide zurückzuführen, die er nicht kommentieren wolle, so Süssli weiter.
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Zum Thema wurden die maroden Armeefinanzen bereits vergangene Woche, als das Militär mehrere Grossveranstaltungen absagen musste. Die Nicht-Durchführung einer Flugshow und anderer Veranstaltungen entlastet das Armeebudget um ungefähr 3,5 Millionen Franken. Die Armee habe den Verzicht beschlossen, um auf die Verteidigungsfähigkeit zu fokussieren, so Süssli. Gleichzeitig entstehen wegen der Absage aber Kosten von rund 350’000 Franken, da bereits Ausgaben getätigt wurden. (bro/SDA)
Sicherheitspolitiker wollen sich im März mit Verteidigungsfähigkeit befassen
Die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerates (SIK-S) will sich im März mit der Frage befassen, wie der Bundesrat nach der verzögerten Budgetaufstockung die Verteidigungsfähigkeit der Armee auszubauen gedenkt. Und sie hat einen Antrag abgelehnt, die abgesagte "Air Spirit 24" wieder aufs Programm zu nehmen.
Armeechef Thomas Süssli und Verteidigungsministerin Viola Amherd informierten die Ständerätinnen und Ständeräte am Donnerstag über die Finanzlage der Armee, wie die Parlamentsdienste mitteilten. Die Kommission habe zur Kenntnis genommen, dass die vollständige Begleichung der Verbindlichkeiten in Höhe von 13 Milliarden Franken gestaffelt werden müsse und erst 2028 abgeschlossen sein werde.
Grund ist der Entscheid des Bundesrates vom Januar 2023, die schrittweise Erhöhung der Armeeausgaben auf ein Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) statt bis 2030 erst bis 2035 zu vollziehen. Das Parlament hiess diesen Aufschub im Dezember gut.
Das bedeutet laut der SIK-S, dass die Armee für die Jahre 2024 bis 2027 2,1 Milliarden Franken weniger zur Verfügung hat als zunächst beschlossen. Die SIK-S will sich im März mit den Verbindlichkeiten der Armee und den Plänen für gestaffelte Zahlungen befassen. Für 2024 konnte bereits eine Lösung gefunden werden.
Im März will die Kommission zudem die Armeebotschaft 2024 behandeln. In dieser wird unter anderem auf die künftigen Fähigkeiten der Armee und den neuen Ausgabenplafond der Armee für den Zeitraum 2025 bis 2028 eingegangen.
Die Absage der Grossanlässe «Air Spirit 24» und «Defense 25» bedauerte die Kommissionsmehrheit gemäss der Mitteilung. Der Entscheid sei jedoch nachvollziehbar. Es sei «richtig und konsequent», dass die Armee die knappen Mittel für die Erfüllung ihres strategischen Verteidigungsauftrags einsetze.
Eine Minderheit der SIK-S beantragte, die «Air Spirit 24» der Luftwaffe dennoch durchzuführen. Sie argumentierte gemäss Mitteilung mit dem Image der Armee und zusätzlichen Kosten durch die Absage, während die Veranstaltung ihre Kosten gedeckt hätte. Der Antrag wurde aber mit 7 zu 4 Stimmen abgelehnt. (SDA)
Süssli: «Für uns ist es kein Drama»
Süssli sagt: «Für uns ist es kein Drama». Das Armeebudget sei eine politische Entscheidung und das Liquiditätsmanagement sei zwar schwierig, das man aber lösen könne. Die Armee habe jederzeit transparent kommuniziert. Dass man das Liquiditätsmanagement mache, sei ein «standardisierter Prozess», sagt er. «Es sind keine Fehler passiert.»
Damit ist die Medienkonferenz beendet. Um 17.30 Uhr wird eine Stellungnahme der Sicherheitspolitiker des Ständerats erwartet.
Wie viel Kosten die Absagen
Der Verzicht auf die Anlässe spart rund 3,5 Millionen Franken. Davon werde man «nicht viel» bei AirSpirit 2024 direkt sparen. Die Absage verursacht wohl Kosten von rund 350'000 Franken – Süssli sagt, man spare aber bei armeeinternen Kosten wie bei Verschiebungen der Armeeangehörigen.
700 bis 800 Millionen Franken ins nächste Jahr verlagert
Süssli sagt, man habe 700 bis 800 Millionen Franken ins nächste Jahr verschoben. Davon betroffen sind auch die Kampfjets. Dort habe man mit der US-Regierung nach Lösungen gesucht. Es gäbe deswegen keine Projektverzögerungen, sagt Gerhard Jakob.
«Fühle mich von meiner Chefin unterstützt»
Süssli sagt, er fühle sich von seiner Chefin, Verteidigungsministerin Viola Amherd, unterstützt – angesprochen auf seinen Auftritt vor den Sicherheitspolitikern des Ständerats.
Abbrüche von Rüstungsprojekten ein Thema
Für die Armee seien Abbrüche von Rüstungsprojekten ein Thema, jedoch nur «im allerschlimmsten Fall». Süssli sagt, es bestehe ein Liquiditätsproblem, aber kein Finanzloch für das aktuelle Jahr.
Braucht die Armee jetzt mehr Geld?
Thomas Süssli wird gefragt, ob die Armee jetzt mehr Geld brauche. Der Armeechef erinnert an den Bericht vom vergangenen Jahr, bei dem man auf das Problem hingewiesen habe. Man sei schon seit Jahren daran, Systeme zu überbrücken. Jetzt werde das aber immer schwieriger, weil viele Elemente an ihr Lebensende kommen.
Warum wich die Armee von der Planung ab?
Die Armee hatte einen Plan, wie sie die Finanzierung von neuen Kampfjets finanzieren wollte. Daran hat sie sich aber nicht gehalten, berichtete Radio SRF.
Gerhard Jakob erklärt dies unter anderem mit dem Ukraine-Krieg. Man habe darum die Rüstungsplanung überarbeitet. Tatsächlich hatte die Armee sich aber schon vor dem Ukraine-Krieg nicht an die eigenen Vorgaben gehalten. Jakob erklärt das mit dem unsicheren Ausgang von der Abstimmung.
Ein Journalist fragt weshalb. «Eine schwierige Frage», antwortet Süssli. Man habe gerechnet, dass es eine zweite Volksabstimmung gebe, sagt der Armeechef. Erst im Herbst 2022 habe der Bundesrat den Vertrag unterzeichnet. Danach sei nur noch das Rüstungsprogramm 2023 betroffen gewesen.
Entscheid des Parlaments erst Ende Jahr
Der Entscheid des Parlaments, die Erhöhung der Armeeausgaben um fünf Jahre von 2030 bis 2035 zu strecken, ist erst im Dezember gefallen. Man habe sich aber bereits darauf vorbereitet, sagt Süssli.
Süssli: «Wir verlieren nach aktueller Planung das Heer mit seinen mechanisierten Mitteln.»
Süssli wird in der Zusammenfassung nochmals deutlich: «Wir haben kein Finanzloch und können alle Rechnungen bezahlen», sagt Süssli. «Aber wir verlieren nach aktueller Planung das Heer mit seinen mechanisierten Mitteln.» Die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit werde sich um mehrere Jahre verzögern.