Es ist der Sprung ins kalte Wasser. Zeit zum Einarbeiten bleibt kaum. Am 1. Januar übernimmt die neue SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider (59) das Justiz- und Polizeidepartement. Zeitgleich startet der neue SVP-Bundesrat Albert Rösti (55) als Umwelt-, Verkehrs- und Energieminister.
Ausgerechnet die beiden Neuen stehen damit an der Spitze jener Departemente, die derzeit am stärksten gefordert sind. Ein Blick auf die grössten Krisen und Knacknüsse, mit denen Rösti und Baume-Schneider konfrontiert sind.
Rösti und die Energiekrise
Albert Rösti tritt sein Amt mitten in der schwersten Energiekrise seit Jahrzehnten an. Nach dem unerwarteten Abgang von Simonetta Sommaruga (62) muss er sicherstellen, dass die Schweiz mit ausreichend Strom und Gas versorgt wird – nicht nur in diesem Winter, sondern auch im nächsten. Dann nämlich könnte sich der Engpass noch verschärfen, weil die Gaslager bis dahin kaum schon wieder aufgefüllt sein werden.
Der Bundesrat war in den vergangenen Monaten nicht untätig. So hat er etwa Wasserkraftreserven ausbauen lassen und mit Gas oder Öl betriebene Reservekraftwerke aufgegleist. Dennoch bleibt viel zu tun: Um die Energie-Abhängigkeit vom Ausland zu reduzieren, muss Rösti die Energiewende weiter vorantreiben. Bis 2050 soll die Schweiz klimaneutral sein.
Hier wartet eine unangenehme Aufgabe auf den Berner: Er wird das vom Parlament entworfene neue Klimaschutzgesetz als Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative an der Urne verteidigen müssen. Denn ausgerechnet seine SVP hat dagegen das Referendum ergriffen. Rösti sass bis zu seiner Wahl in den Bundesrat sogar selber als Co-Präsident im Referendumskomitee.
Gerade Klimaschützer bezweifeln, dass dem bisherigen Auto- und Öllobbyisten dieser Seitenwechsel gelingen wird. Die Energiewende aber wird Rösti keinesfalls mehr stoppen können, selbst wenn er es wollte.
Längerfristig muss Rösti zudem Mittel und Wege finden, um der Schweiz doch noch einen festen Platz im europäischen Strommarkt zu sichern. Eine knifflige Aufgabe, denn nachdem der Bundesrat die Verhandlungen zum Rahmenabkommen abgebrochen hat, zeigt die EU wenig Lust auf ein Stromabkommen.
Was Rösti sonst noch erwartet
Eng verknüpft mit der Energiekrise ist die Klimakrise – auch hier ist Rösti gefordert. Seine Vorgängerin Sommaruga musste nach dem Volks-Nein zum neuen CO2-Gesetz 2021 noch einmal über die Bücher. Das überarbeitete Gesetz wird nun Rösti gegenüber dem Parlament und schliesslich wohl auch gegenüber der Stimmbevölkerung, die das letzte Wort haben dürfte, verteidigen müssen.
Daneben erwarten Rösti im Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation fast schon Nebenschauplätze: Dauerbrenner sind etwa die Rolle der Post, Engpässe im Bahnnetz, das Jagdgesetz oder die Verlagerung des Alpenverkehrs von der Strasse auf die Schiene. Hinzu kommen neue Anläufe zur Subvention der Medien.
Und gerade im Medienbereich könnte die SVP ihren Bundesrat nochmals in die Bredouille bringen. Rösti wird voraussichtlich gegen die Halbierungs-Initiative ankämpfen müssen, die der SRG die Gebührengelder zusammenstreichen will.
Baume-Schneider und die Asylkrise
Nicht besser trifft es Baume-Schneider. Die neue Justizministerin startet ausgerechnet in einer Zeit, in der Europa mit dem grössten Flüchtlingsstrom seit dem Zweiten Weltkrieg konfrontiert ist. Allein in der Schweiz haben bis Ende November über 70'000 Ukrainerinnen und Ukrainer den Schutzstatus S erhalten.
Auch die regulären Asylzahlen nehmen seit Monaten zu. Für dieses Jahr rechnet das Staatssekretariat für Migration mit fast 25'000 Asylgesuchen, rund 10'000 mehr als im Jahr zuvor. Im Frühling hat die bisherige Justiz- und Asylministerin Karin Keller-Sutter (58) wegen der Ausnahmesituation erstmals den Sonderstab Asyl eingesetzt. Bund, Kantone und Gemeinden sind am Anschlag. Der Bund hat den Kantonen vorübergehend Asylsuchende vorzeitig zuweisen müssen und sogar schon die Armee aufgeboten. Ein Problem, das aber auch die Armee nicht lösen kann, ist das fehlende Personal zur Betreuung der vielen Flüchtlinge.
Die grösste Herausforderung wird für Baume-Schneider aber nicht die organisatorische, sondern die politische Komponente der Krise. Als SPlerin muss die Jurassierin damit rechnen, unter Dauerbeschuss der SVP zu stehen – ganz besonders im Wahljahr 2023. Einen Vorgeschmack gab die SVP bereits: Als «Begrüssungsgeschenk» hat sie eine wahre Asyl-Offensive gestartet.
Weitere Knacknüsse für die SPlerin
Zu den wichtigen Dossiers im Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement gehört nebst dem Asylwesen die Bekämpfung von häuslicher und sexueller Gewalt. Dazu zählt etwa das neue Sexualstrafrecht: Baume-Schneider hat sich im Ständerat immer für die Zustimmungslösung («Nur Ja heisst Ja») eingesetzt, die derzeit zur Diskussion steht. Der Bundesrat war stets dagegen.
Ein weiteres Thema, mit dem sie sich im ersten Amtsjahr wird herumschlagen müssen, ist die Schaffung einer staatlichen E-ID. Im Frühling 2021 hatte die Stimmbevölkerung eine private Lösung abgelehnt.
Als Justizministerin ist Baume-Schneider zudem vonseiten des Bundes fürs Jura-Dossier zuständig. Es geht darum, den Wechsel der Gemeinde Moutier zum Kanton Jura zu begleiten, der für 2026 geplant ist. Streitpunkt sind derzeit die finanziellen Folgen des Kantonswechsels für den Jura. Ein ganz heisses Eisen für sie als Jurassierin. Noch ist unklar, ob sie in den Ausstand treten wird.