7,4 Milliarden Franken ausstehend
75'360 Betriebe haben Covid-Kredite noch nicht zurückbezahlt

Mit 17 Milliarden Franken hat der Bund während der Pandemie Firmen unterstützt, um finanzielle Engpässe zu überbrücken. Vor allem Gastronomie-Unternehmen tun sich schwer mit der Rückzahlung.
Publiziert: 14.04.2024 um 10:10 Uhr
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Aktualisiert: 14.04.2024 um 15:45 Uhr
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Während dem Lockdown 2020 mussten Restaurants ihren Betrieb einstellen.
Foto: Keystone
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Andreas SchmidInlandredaktor

Das Prozedere lief schnell und unbürokratisch ab. In zehn Minuten konnten Unternehmerinnen und Unternehmer ein Gesuch für einen Covid-19-Kredit stellen und auf dem Platz eines A4-Papiers bis zu 500'000 Franken beantragen. Angaben zur Firma und Umsatz reichten. Von März bis Ende Juli 2020 vergaben Banken so 17 Milliarden Franken Geld vom Bund, der die Kredite über Bürgschaftsorganisationen absicherte. Fast 137'000 Kredite wurden gesamthaft gewährt, weit mehr als die Hälfte davon in zehn Branchen (Grafik).

Manche Betriebe tun sich nun schwer, das Geld zurückzuzahlen, wie aus online ersichtlichen Daten des Bundes hervorgeht. So standen Ende März noch 75'360 Kredite in der Höhe von zusammengerechnet 7,4 Milliarden Franken aus. Dass der Bund seit einem Jahr einen Zins von 1,5 Prozent auf die Kredite unter 500'000 Franken verrechnet, ermuntert einige Unternehmen zur schnelleren Rückerstattung.

Am harzigsten geht es in der Gastronomie vonstatten. Erst ein Drittel der gewährten Kredite ist vollständig zurückbezahlt. In der Branche der Bauinstallationen sind es gut 40 Prozent, im Detailhandel die Hälfte. Am vorbildlichsten sind die Gesellschaften aus dem Gesundheitswesen, die zu zwei Dritteln die Unterstützungsbeiträge beglichen haben.

Seco weiterhin optimistisch

Obwohl noch 7,4 Milliarden Franken ausstehend sind, geht das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) von einem wesentlich geringeren Abschreiber aus. Sprecher Fabian Maienfisch hält fest, dass das Seco «aus heutiger Sicht mit einem Verlust von maximal 1,7 Milliarden Franken rechnet». Das habe sich seit der Aufnahme des Programms nicht geändert. Der damalige Finanzminister Ueli Maurer (73, SVP) war bereits davon ausgegangen, dass 10 Prozent der Kredite nicht mehr zurückerstattet werden.

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Unter der Bedingung, dass keine schwere Rezession mit damit verbundener Konkurswelle eintreffen werde, gelte dies weiterhin, sagt Maienfisch. Wie die kürzlich publizierte Statistik zeigt, nahmen die Konkurse im vergangenen Jahr gegenüber 2022 um knapp drei Prozent zu, fast 15'500 Konkursverfahren wurden eröffnet. Damit gab es in drei aufeinanderfolgenden Jahren einen Anstieg. Allerdings sanken die Verluste der abgeschlossenen Verfahren im Vergleich mit dem Vorjahr um gut 10 Prozent. Sie machten 2 Milliarden Franken aus.

Von einer Konkurswelle kann nicht die Rede sein, auch wenn die Zunahme in drei aufeinanderfolgenden Jahren aufschreckt. Seco-Sprecher Maienfisch betont mit Blick auf das Covid-19-Kreditprogramm aber, dass bis Ende März lediglich gut 100 Millionen Franken als definitiv verloren verbucht worden seien. In rund 2300 Fällen wurden die Forderungen eingestellt, weil Betriebe zahlungsunfähig sind. Das geht aus den Daten des Bundes zum Kreditprogramm hervor.

Nicht einberechnet sind da die Verluste, die aus Betrugsfällen resultieren werden. Fast 2500 Fälle mit einer Deliktsumme von 290 Millionen Franken sind hängig, wie die «NZZ am Sonntag» berichtete. Weiter sind mehrere Hundert Untersuchungen zu Missbrauchsfällen bereits abgeschlossen. Für über 100 Millionen Franken bezogen inzwischen belangte Firmen illegal Kredite. Wie viel von diesem Geld wieder eingetrieben werden kann, ist derzeit nicht absehbar.

Zahlreiche Betrügereien

Die meisten der Strafanzeigen betrafen die unzulässige Verwendung der Finanzhilfen. Die Unternehmer setzten sie für Investitionen ein, anstatt damit Einnahmen-Einbussen zu decken. Andere gaben ihre früheren Umsätze falsch an, manche beantragten mehrfach Unterstützungskredite. Mehrere Kantone mussten ihre Staatsanwaltschaften aufstocken und zusätzlich Stellen schaffen, um die Strafuntersuchungen im Zusammenhang mit unrechtmässig erlangten Covid-Krediten zu bewältigen. Diese Aufarbeitung wird noch Jahre dauern.

Auch im Seco, dessen Direktorin Helene Budliger Artieda (59) die Lancierung und Realisierung des Unterstützungsprogramms nicht mitgestaltet hat. Budliger Artieda steht dem Staatssekretariat erst seit dem Sommer 2022 vor und muss sich nun um die Bewirtschaftung der ausstehenden Kredite sorgen.

Die hohe Zahl von Strafanzeigen im Zusammenhang mit unrechtmässig bezogenen Covid-Krediten widerlegt die gutgläubige Prognose vom März 2020, ein Missbrauch des Unterstützungssystems sei kaum möglich. Weil weder Banken noch Bund die rudimentären Angaben in den Gesuchen prüften, erhielten auch Unternehmen Geld, deren finanzielle Notlage nicht durch die Corona-Pandemie verursacht worden war. Wirtschaftskriminelle bedienten sich am eilig errichteten Konstrukt und nutzten die Lücken aus.

Weil die gebeutelte Wirtschaft schnell Hilfe brauchte, nahm der Bundesrat Schwächen bei der Prüfung der Kreditanträge und daraus entstehende Verluste in Kauf. Dafür erhielt ein Viertel aller Schweizer Firmen Covid-19-Kredite und überstand so grösstenteils die wirtschaftliche Baisse.

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