Zürcher Beamtenpensionskasse beharrt auf voller 22'000-Fr-Miete
«Wir kriegen nicht mal einen Aufschub»

Im zweiten Lockdown verzichten Vermieter seltener auf einen Teil der Miete. Das musste auch das Gastro-Ehepaar Timea und Mario Keller erfahren. Dazu beigetragen hat das Nein zum Geschäftsmietengesetz – und das neue Härtefall-Regime.
Publiziert: 14.02.2021 um 09:42 Uhr
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Aktualisiert: 14.02.2021 um 14:01 Uhr
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Timea (46) und ­Mario Keller (45) kämpfen ums wirtschaftliche Überleben und baten deshalb die Zürcher Beamten-Pensionskasse BVK um ein Entgegenkommen bei der Miete.
Foto: Philippe Rossier
Thomas Schlittler

Timea (46) und ­Mario Keller (45) kämpfen. Schon wieder. Noch immer. Seit acht Wochen dürfen die beiden keine Salate oder Burritos mehr verkaufen. Ihre drei Zapote-Restaurants in Zürich sind ­behördlich geschlossen.

Für den Standort in Wallisellen ZH erliess der Immobilienriese Allreal zwar einen Teil der Miete von 12'000 Franken – wie schon im ersten Lockdown. Für Restaurants an der Zürcher Löwenstrasse und in Wiedikon müssen die Kellers aber weiter die volle Miete bezahlen. «22 '000 Franken pro Monat – für nichts!»

Weil es um ihr wirtschaftliches Überleben geht, baten die Unternehmer die BVK Personalvorsorge des Kantons Zürich um Entgegenkommen. Die grösste Pensionskasse der Schweiz zeigte sich unnachgiebig. Keller: «Wir kriegen nicht mal einen Aufschub!»

Und so wimmeln Eigentümer ihre Geschäftsmieter ab:

So wimmeln Eigentümer Geschäftsmieter ab
Foto: ZVG

«Wir kämpfen seit Monaten für unser Lebenswerk»

Die BVK schreibt zwar, man werde die Mieter nach dem Lockdown wegen ­einer «allfälligen Mietzinsherabsetzung» kontaktieren. Die Pensionskasse hält ­jedoch fest: «Eine erneute Stundung zum derzeitigen Zeitpunkt können wir Ihnen nicht gewähren.» Die Miete bleibe geschuldet, die BVK fordere, «alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Krise möglichst unbeschadet und nachhaltig zu überstehen».

Mario Keller ist empört: «Wir tun seit Monaten nichts anderes, als für unser Lebenswerk zu kämpfen. Aber die Liquidität ist knapp, die Härtefallhilfe lässt auf sich warten – und genau deshalb wäre es so wichtig, zumindest etwas Zeit zu gewinnen.»

Schon mehr als 17'000 Härtefallgesuche
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Firmen in der Krise:Schon mehr als 17'000 Härtefallgesuche

Gerichtsverfahren würden bewusst verschleppt

Rechtsanwalt Armin ­Zucker (65), Vizepräsident des Verbands der Geschäftsmieter, überrascht das Beispiel nicht: «Viele Vermieter sind derzeit weniger bereit denn je, dem Gewerbe bei der Miete entgegenzukommen.»

Dazu beigetragen habe das Nein des Parlaments zum Geschäftsmietengesetz im Dezember: «Viele Vermieter führen ins Feld, dass mit Ablehnung des 60/40-Erlassgesetzes auch der rechtliche Anspruch auf Mietzinsreduktion ­verneint worden sei.»

Eine perfide Argumen­tation, meint Zucker: «Schliesslich haben die Immobilienlobby und die bürgerliche Mehrheit die Vorlage mit dem Argument verhindert, dass eine gesetzliche Regelung individuelle Lösungen zwischen Mietern und Vermietern verhindere.»

Zudem sei die Schlussfolgerung schlicht falsch: «Die Frage, ob Mieter bei behördlichen Zwangsschliessungen Anspruch auf eine Mietzinsreduktion haben, ist juristisch nach wie vor ungeklärt.» Das werde wohl auch noch eine Weile so bleiben: «Die Gerichtsverfahren werden von den Vermietern ­bewusst verschleppt.»

Härtefallhilfe ist noch gar nicht angekommen

Es gibt noch ein anderes Argument, das Vermieter im aktuellen Lockdown ins Feld führen, um die volle Miete zu verlangen: die Ausweitung der Härtefallhilfe des Bundes Mitte Januar. «Viele Eigentümer fordern nun ihre Mieter dazu auf, Härtefallgelder zu beziehen, um die volle Miete bezahlen zu können», so Zucker.

Doch das sei nicht so ­einfach: «In den meisten Kantonen sind noch keine Hilfsgelder geflossen. Zudem sind die Härtefall­hilfen auf Kleinfirmen ausgerichtet.» Für mittelgrosse Detailhändler, Dienstleistungs­unternehmen und Restaurantbetriebe, die mehrere Standorte haben, seien die maximal 750'000 Franken – pro Unternehmen, nicht pro Niederlassung – bloss ein Tropfen auf den heissen Stein. «In vielen Fällen wird das nicht reichen, um sämtliche Fixkosten zu decken.»

Vermieter stehlen sich aus Verantwortung

SP-Wirtschaftspolitikerin Jacqueline Badran (59), die sich an vorderster Front für das Geschäftsmietegesetz eingesetzt hatte, beobachtet das Gleiche: «Wie erwartet stehlen sich die Vermieter komplett aus der Verantwortung, ihren minimalen Teil zur Bewältigung der Krise beizutragen.» Dass Mieter nun aufgefordert werden, die Härtefallhilfen zu verwenden, um die volle Miete zu bezahlen, findet Badran mehr als stossend: «Einen Teilmieterlass von zwei Mo­naten für das betroffene ­Gewerbe hätte die Immo­bi­lieneigentümer weniger als zwei Prozent der Jahres­einnahmen gekostet. Stattdessen finanzieren ihnen nun die Steuerzahlenden die Rendite. Das ist eine ­Riesensauerei!»

Und was sagt die Immobilienlobby dazu? Der Verband Immobilien Schweiz (VIS), der die grossen Immobilienkonzerne vertritt, geht nicht konkret auf die einzelnen Fragen ein, teilt aber mit, man rufe die Mitglieder seit Beginn der Krise auf, aktiv nach «guten und nachhaltigen Lösungen» Ausschau zu halten und das Gespräch mit den Mietern zu suchen.

Der Enscheid liege bei den Eigentümern

Beim Hauseigentümerverband Schweiz (HEV) klingt es ähnlich. Die stellvertretende Direktorin Monika Sommer (55) betont ­jedoch, das Nein zum Geschäftsmietegesetze sei kein Grund, Mietreduktionen grundsätzlich abzu­lehnen: «Es kann nicht im Interesse der Vermieter sein, über­lebensfähige Unternehmen als Geschäftsmieter zu verlieren.»

Sommer weist allerdings darauf hin, dass die Vermieter trotz Lockdown die mit dem Mietobjekt verbundenen Kosten – zum Beispiel die Hypothekarzinsen – ­tragen müssen. Der Entscheid liege deshalb im ­Einzelfall immer bei den betroffenen Eigentümern. «Sie sind für die Beurteilung der Sach­lage, den wirtschaftlich möglichen Spielraum sowie die daraus hervorgehenden Aktivitäten zuständig.»

BVK will sich zum Fall nicht äussern

Und die Zürcher Beamtenpensionskasse BVK? Die will den Fall Keller nicht kommentieren. «Über einzelne Mietverhältnisse geben wir grundsätzlich keine Auskunft», so ein Sprecher. Die BVK sei aber bestrebt, «einvernehmliche Lösungen für alle Beteiligten» zu generieren – das betreffe auch Mietzinsstundungen.
Zugleich betont die BVK, sie habe als Pensionskasse die «treuhänderische Pflicht», im Interesse ihrer Versicherten zu handeln.

Die Frage jedoch, weshalb eine Mietzinsstundung diese Interessen gefährden soll, konnte das Unternehmen trotz mehrfacher Nachfrage nicht beantworten. Ende Januar gab die BVK derweil etwas anderes bekannt: ein «erfreuliches Ergebnis» für das Corona-Jahr 2020.

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