Zwölf Stunden Flug für zehn Tage Aufenthalt: Eine Schulklasse der Luzerner Kantonsschule Alpenquai reiste Anfang Jahr nach Indien. Den Grossteil der Reise berappten die Schweizer Steuerzahler. Kostenpunkt: über 60'000 Franken.
Geht nicht, findet Klimaforscher Reto Knutti (50) von der ETH Zürich. Fliegen verursache mindestens 20 Prozent des Treibhausgas-Ausstosses in der Schweiz, sagt er. Und die öffentliche Hand habe eine Vorbildrolle. Der Bund habe sich ein CO₂-Reduktionsziel von 50 Prozent bis 2030 gesetzt, so der Professor für Klimaphysik gegenüber Zentralplus.
Bund lässt sich Austausch 50 Millionen im Jahr kosten
Gefördert werden solche Reisen über Movetia, die nationale Agentur zur Förderung von Austausch und Mobilität im Bildungssystem. Ob in der Schweiz, in Europa oder weltweit – Movetia unterstützt solche Reisen von der Primarstufe bis zur Erwachsenenbildung. Die nationale Austauschwoche, die Schülerinnen und Schüler in einer anderen Schweizer Sprachregion verbringen, wird ebenso von Movetia gesponsert wie Erasmus-Austauschprogramme für Studenten.
2022 standen Movetia dafür knapp 49 Millionen Franken zur Verfügung. 45 Millionen kamen vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI), ein wenig noch vom Bundesamt für Kultur (BAK) und vom Bundesamt für Sozialversicherungen. Das Budget war auf 2022 hin deutlich aufgestockt worden, weitere Erhöhungen sind beschlossen. Gemäss der Agentur reichten die Mittel aber nicht aus, um alle Gesuche zu decken.
Letztes Jahr profitierten fast 17'000 Personen
Immerhin konnten 2023 insgesamt 16'924 Kinder, Jugendliche und Erwachsene von einem Austausch profitieren. Der Grossteil – fast 10'000 – waren Studenten, die für ein Semester oder ein Praktikum ins Ausland gingen. Doch auch fast 1300 Schülerinnen und Schüler konnten mit dem Zustupf ein paar Tage oder Monate im Ausland verbringen.
So weit wie die Klasse der Kantonsschule Alpenquai geht es für die meisten allerdings nicht. Die mit Abstand beliebteste Destination war 2023 Deutschland, wohin fast die Hälfte der Schulkinder reiste, gefolgt von Italien und Grossbritannien.
Neuseeland, Japan, Madagaskar
Doch es gab auch deutlich entferntere Destinationen. So reisten 92 Schweizerinnen nach Kanada, 21 in die USA, 20 nach Neuseeland. Dabei handelte es sich um mehrmonatige Austauschprogramme.
Doch auch kurze Schulreisen führten in fremde Gefilde. Mehrere Klassen reisten in die USA – und das für weniger als zwei Wochen. Für zwölf Schüler ging es sogar ins doppelt so weit entfernte Japan. Diese Reise unterstützte der Bund mit 30'000 Franken. Ebenso viel Geld gab es für eine Klasse der Lausanner Rudolf-Steiner-Schule für gegenseitige Besuche mit einer Klasse in Madagaskar.
Für 14 Tage nach Brasilien
Und: Nicht nur Schülerinnen und Schüler können von den Förderbeiträgen profitieren. Auch Lehrer können in sogenannten «Job-Shadowings» Schulen auf der ganzen Welt besuchen.
212 machten 2023 davon Gebrauch. Dabei stillte so manche Lehrperson ihr Fernweh: 36 von 212 reisten in die USA, nach Kanada, Brasilien und Peru. Und auch hier nur für kurze Zeit. Höchstdauer des Aufenthalts: 14 Tage.
Auch wegen Klimabilanz: Projekt in Europa prioritär gefördert
Die Viel-Fliegerei verursacht einen enormen CO₂-Ausstoss. Dessen ist sich auch Movetia bewusst. Deshalb würden höchstens 20 Prozent des Förderbudgets in Projekte ausserhalb Europas fliessen. «Bewusst werden Projekte innerhalb Europas prioritär gefördert, auch mit Blick auf die ökologische Bilanz», sagt Christine Keller von Movetia. Qualitativ überzeugende Projekte, die den Teilnehmenden einen klaren Mehrwert bringen, würden aber weltweit gefördert.
Movetia verweist auf Anfrage auf die nationale Strategie zu Austausch und Mobilität von Bund und Kantonen: «Alle jungen Menschen nehmen im Verlauf ihrer Ausbildung oder im Übergang zum Arbeitsleben mindestens einmal an einer länger dauernden Austausch- und Mobilitätsaktivität teil», heisst es darin. So sollen sie ihre sprachlichen Kompetenzen verbessern, aber auch ihre sozialen und fachlichen Kompetenzen und damit ihre Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt.
Heute ist die Schweiz von diesem Ziel weit entfernt. Selbst an Hochschulen gehen nur 16 Prozent der Studenten für einen längeren Aufenthalt ins Ausland.