Ein Klick, und das schlechte Gewissen ist beseitigt. Der Flug nach Spanien, die Bestellung der neusten Playstation – über die Klima-Folgen braucht sich niemand mehr zu sorgen. Das versprechen zumindest jene Firmen, die sogenannte «Klimakompensationen» anbieten.
Doch genau diese Praxis steht immer wieder in der Kritik. Fragwürdige Projekte, chaotische Standards, fehlende Überwachung. Wo kann man noch mit gutem Gewissen das Schlechte beruhigen? Blick beantwortet die wichtigsten Fragen.
Welche Anbieter gibt es?
Es gibt viele verschiedene Anbieter in der Schweiz und im Ausland mit unterschiedlichen Konzepten. Wer bei Galaxus ein neues Ledersofa kauft, kann für 120 Franken den Einkauf kompensieren. Das Geld fliesst in Klimaschutzprojekte bei der Firma South Pole. Diese investiert das Geld in Waldschutz und erneuerbare Energien.
Ein weiterer grosser Player ist Myclimate. Mit diesem arbeitet unter anderem die Swiss zusammen, wenn es darum geht, Flugreisen zu kompensieren. Beispielsweise über die «die Renaturierung von Mooren in Deutschland, dem Bau von Biogasanlagen in Nepal, dem Einsatz von Energiesparkochern für Menschen in Burundi oder dem Schutz bedrohter Wälder in Tansania», heisst es auf der Website.
Daneben gibt es noch weitere Kompensationsanbieter, nicht nur in der Schweiz. Beispiele sind Atmosfair und Klima-Kollekte.
Warum stehen sie in der Kritik?
Der Nutzen von Kompensationszertifikaten ist umstritten. Die ETH Zürich und die Universität Cambridge schätzen in einer Studie, dass nur zwölf Prozent der Zertifikate tatsächlich zu weniger Emissionen führen, schreibt Forscher Malte Toetzke in einem ETH-Blog. Bei vielen Projekten sei fraglich, ob nicht auch ohne Zertifikate das gleiche Ergebnis erzielt wird. «Zum Beispiel werden viele durch Emissionszertifikate geschützte Wälder auch ohne den Schutz durch Zertifikate nicht gerodet.»
Ein prominentes Beispiel dafür ist South Pole, einer der ganz grossen weltweiten Anbieter, mit Sitz in der Schweiz. Bekannt ist vor allem das Kariba-Projekt, das in Simbabwe ein grosses Waldstück in der Grösse des Kantons Graubündens schützen soll. Dafür konnten Zertifikate gekauft werden. Nicht nur ist hier fraglich, ob der Wald überhaupt in diesem Masse hätte geschützt werden müssen, heisst es in einem Beitrag von Radio SRF. In der Kritik steht South Pole auch, weil möglicherweise zu viele Zertifikate verkauft wurden. Das Unternehmen bestreitet das, hat allerdings vor einem Jahr den Verkauf von Zertifikaten gestoppt.
Und es gibt noch weitere Vorwürfe. So gibt South Pole an, bis zu 40 Millionen Dollar vor Ort eingesetzt zu haben. Stichproben von Radio SRF zeigen jedoch, dass es weit weniger sein dürften. South Pole schreibt, man verfüge über zahlreiche Beweise zur Verwendung der Gelder im Projekt.
Auch die Schweizer Post ist Greenwashing-Vorwürfen ausgesetzt. Sie kauft in Deutschland ein Stück Wald, um ihre Klimaziele zu erreichen. Doch mit dem Forst-Erwerb wird nicht viel zusätzliches CO2 gebunden.
Wer kontrolliert die Projekte?
Es fehlt eine Aufsicht durch staatliche Behörden. Zwar müssen die Emissionsminderungen von Kompensations-Projekten von unabhängigen Dritten zertifiziert werden. Doch diese Prüfungsfirmen verfolgen auch eigene Interessen. So steht die grösste Zertifizierungsorganisation Verra in der Kritik, weil ihre Regeln grosse Lücken aufweisen, wie die «Zeit» schreibt. Axel Michaelowa sieht in den Eigeninteressen der Firmen eine «offene Flanke». Er forscht an der Uni Zürich zum Thema. «Aus meiner Sicht sollte es eine Lotterie für die Auswahl der Prüfgesellschaften geben, damit diese nicht abhängig von ihren Kunden sind.»
Bringen Klima-Kompensationen überhaupt etwas?
«Es gibt eine Reihe positiver Beispiele, wo eine CO2-Kompensation wirklich etwas bringt», sagt Michaelowa. Er nennt als Beispiel Kompensationsprojekte in Entwicklungsländern. «In Chemie-Anlagen in Schwellenländern wurden Millionen Tonnen von CO2-Äquivalenten zerlegt, die vorher ungebremst emittiert worden waren. Das hat dem Klima wirklich geholfen.»
Worauf muss man achten?
Wer selbst CO2 kompensieren will, müsse den Projekttyp beachten, sagt Michaelowa. «Man sollte in Projekte investieren, die ohne das Geld nicht stattfinden könnten.» Ein Gegenbeispiel sind Projekte, die in Wälder investieren, die bereits bestehen. «Solche Projekte nützen dem Klima oftmals wenig.»
Die Forscher um ETH-Mann Toetzke empfehlen Firmen und Privatpersonen, die ihren CO2-Ausstoss kompensieren wollen, stattdessen auf Projekte zu fokussieren, die CO2 aus der Atmosphäre entfernen. «Das ist allerdings deutlich teurer.»
Und wie findet man heraus, welche Projekte gut sind?
Michaelowa empfiehlt Privatpersonen Vergleichsportale wie zum Beispiel Stiftung Warentest. Diese hatten im vergangenen Jahr den Anbieter Myclimate abgestuft. «Die Vergleichsmöglichkeiten und die Anbieter sind im Vergleich zu vor zwei Jahren deutlich besser geworden», sagt Michaelowa. Doch die Vergleiche sind aufwendig und oftmals ist es auch undurchsichtig, in welches Klimaprojekt wirklich investiert wird. Myclimate schreibt zum Vergleich der Stiftung Warentest, die Beurteilungsgrundlage seien zum Teil unsachgemäss und die Annahmen veraltet, was zu einem verzerrtem Testergebnis führe.