Post kauft wegen Netto-Null-Ziel deutschen Wald
Betreibt der Gelbe Riese Greenwashing?

Die Post hat nach Deutschland expandiert – und dort Wald gekauft. So will der Staatskonzern sein Netto-Null-Ziel erreichen. Geholfen wird der Umwelt durch die neuen Besitzverhältnisse aber kaum.
Publiziert: 26.07.2023 um 00:19 Uhr
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Aktualisiert: 07.08.2023 um 16:28 Uhr
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Postchef Roberto Cirillo geht unter die Waldbesitzer.
Foto: Keystone
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Sermîn FakiPolitikchefin

Die Post will vorwärtsmachen beim Kampf gegen den Klimawandel. Der Staatskonzern hat sich nicht nur das Netto-Null-Ziel bis 2040 gesetzt, sondern auch einen Plan ausgearbeitet, wie er das erreichen will.

Darum ist der gelbe Riese unter Chef Roberto Cirillo (52) nun unter die Waldbesitzer gegangen – in Deutschland. In Thüringen hat er ein 2400 Hektar grosses Waldstück gekauft. Das sind mehr als 3361 Fussballfelder im «grünen Herz Deutschlands», wie das ostdeutsche Bundesland sich selbst nennt.

Deutsche Regierung profitiert

Die Sache hat nur einen Haken: Die CO₂-Speicherkapazität des deutschen Walds nutzt schon die Bundesregierung für ihre eigene Klimabilanz. Darum ist es deutschen Unternehmen auch nicht möglich, Forst zu erwerben, um damit den eigenen CO₂-Ausstoss zu kompensieren.

Sonst würde die CO₂-Bindung des Walds doppelt angerechnet – obwohl er es nur einmal speichert. Zugespitzt gesagt: Dem Klima ist durch den Schweizer Waldkauf nicht geholfen, der Post schon. Vor allem aber hilft die Schweizerische Post dem deutschen Staat bei seinem Klimaschutz, indem sie künftig in Thüringen Wald bewirtschaftet.

«Das ist kein Greenwashing»

Die Post bestreitet den Vorwurf dezidiert. «Von Greenwashing kann keine Rede sein», teilt sie mit. Man unternehme viel, um das Klimaziel bis 2040 zu erreichen. So habe man schon heute mit 7000 Autos die grösste Elektro-Fahrzeugflotte der Schweiz, heize fast 60 Prozent der eigenen Immobilien mit erneuerbaren Energien und produziere jährlich 10,9 Gigawattstunden Sonnenstrom. Bis 2030 sollen es gar 30 Gigawattstunden sein.

Nur die zehn Prozent CO₂-Emissionen, die die Post nicht vermeiden kann, will sie aktiv aus der Atmosphäre ziehen und speichern – unter anderem mit dem Waldkauf. «Das ist kein Greenwashing. Im Gegenteil: Die Post nimmt Verantwortung wahr und handelt, anstatt Absichten zu formulieren», so ein Sprecher.

Nur: Mit dem Forst-Erwerb wird nicht viel zusätzliches CO₂ gebunden. Würde die Post Brachland aufforsten, sähe das anders aus. Die Post betont denn auch, dass es sich beim Waldprojekt nicht um Kompensation, sondern um «Neutralisation» handle: Das CO₂, das in den Bäumen gespeichert ist, werde der Post nicht angerechnet. Sondern nur jenes, das im geernteten Holz gebunden ist und in dieser Form gelagert wird – etwa als Bauholz. Und hier sei durch die direkte Investition der Post sichergestellt, dass kein Baum ein zweites Mal angerechnet werden kann. Doch würde das nicht auch geschehen, wenn der Thüringer Wald jemand anderem gehört?

Neues Forschungsgebiet

So oder so: Auf dem Papier hilft der Forst-Kauf der Post, ihr Netto-Null-Ziel zu erreichen – durch 9000 «neutralisierte» Tonnen CO₂ im Jahr, wie erste Schätzungen ergeben. Die Post betont, dass es sich bei der Neutralisation um ein neues Forschungsgebiet handle. Man arbeite darum mit mehreren Partnern und Hochschulen zusammen.

Die Post plant in Thüringen eine Bewirtschaftung, die den Mischwald fördert und Risikobestände wie kranke Bäume abbaut. Zudem wolle man die Biodiversität fördern, zum Beispiel durch die Schaffung von Zonen und «Inseln», die unberührt bleiben. In diesen sollen ältere, abgestorbene und liegende Bäume belassen werden.

Bewirtschaften wird die Post den Wald übrigens nicht selbst. Das machen die Deutschen.

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