Kritik für Ausflug nach Indien
Bund sponsert Schulreise für 60'000 Franken!

Eine Luzerner Schulklasse flog für zehn Tage nach Südindien – zum Grossteil gesponsert vom Bund. ETH-Klimaforscher Reto Knutti kritisiert das hart. Der Rektor der Kantonsschule wehrt sich.
Publiziert: 11.04.2024 um 20:07 Uhr
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Aktualisiert: 12.04.2024 um 09:33 Uhr
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Eine Schulklasse der Luzerner Kantonsschule Alpenquai ist für ein Austauschprojekt nach Indien geflogen.
Foto: kantonsschulen.lu.ch

Fliegend geht die Welt zugrunde? Eine Schulklasse der Luzerner Kantonsschule Alpenquai reiste Anfang Jahr für ein Austauschprojekt nach Indien. Zwölf Stunden dauerte der Flug, zehn Tage der Aufenthalt in der südindischen Küstenstadt Trivandrum. Vorausgegangen war der Reise der Besuch einer indischen Gastklasse in Luzern.

Hin und zurück sind es 15'438 Flugkilometer, was je nach Berechnung pro Passagier in der Economy Class einem CO₂-Ausstoss von 1,23 bis 2,92 Tonnen entspricht. 2,92 Tonnen CO₂ stossen rein statistisch 1,3 Schweizer Personenwagen aus, die ein Jahr herumfahren.

Bund steuert rund 60'000 Franken bei

Pikant: Den Grossteil der klima-unfreundlichen Reise berappten die Schweizer Steuerzahler. Movetia, eine nationale Agentur für Austausch und Mobilität, die vom Bund finanziert wird, habe die je 22 Schülerinnen aus der Schweiz und Indien sowie je zwei Lehrer mit insgesamt 62'720 Franken unterstützt, schreibt Zentralplus.

Pro Schülerin aus der Schweiz habe Movetia für Reise und Aufenthalt je 1100 Franken bezahlt. Aus eigenem Sack hätten die Schüler rund 650 Franken beigetragen. Bei den Schülerinnen aus Indien habe der entsprechende Betrag 1300 Franken betragen, für die Schweizer Lehrer insgesamt 2240 Franken, für jene aus Indien 2720 Franken.

«Keinen Grund für Flugreise»

Wenig Verständnis für die Flüge hat Reto Knutti (50) von der ETH Zürich. Fliegen verursache mindestens 20 Prozent des Treibhausgas-Ausstosses in der Schweiz, sagt er. Und die öffentliche Hand habe eine Vorbildrolle. Der Bund habe sich ein CO2-Reduktionsziel von 50 Prozent bis 2030 gesetzt, so der Professor für Klimaphysik gegenüber Zentralplus.

Weiter sagt er: «Grundsätzlich gibt es aus meiner Sicht keine klaren Gründe, warum Bildung auf Stufe Gymnasium Flugreisen erfordert.» Die wesentlichen Kompetenzen, die auf dieser Stufe vermittelt werden, könnten in der Schweiz oder im nahen Ausland vermittelt werden. Alles andere seien Ausreden.

«Flüge wurden kompensiert»

Der Rektor der Kanti Alpenquai, Hans Hirschi, gesteht gegenüber Blick zwar ein, dass eine solche Reise nicht nötig sei, um die Matura zu erwerben. Aber die Schule rede sich nicht heraus: «Ja, es gibt einen Zielkonflikt zwischen interkulturellem Austausch, der in einer globalisierten Welt einen Wert hat, und dem Klimaschutz. Da gilt es abzuwägen.»

Die Reise sei keine touristische gewesen, sondern eingebettet in ein langfristiges Schulprojekt, erklärt er. Die Schweizer und indischen Jugendlichen hätten über Monate Onlinekontakt gehabt und an Projekten gearbeitet. Und dann gab es diese zwei gegenseitigen Besuche. «Wenn ich mir die Schilderungen unserer Schüler anhöre, so war diese Reise sehr wertvoll. Und sie war nur mit einem Flug möglich.»

Hirschi sagt, dass an der Kanti Alpenquai der Grundsatz «keine Flüge» gelte. Davon gebe es sehr wenige Ausnahmen, und die Reise nach Indien sei eine solche Ausnahme gewesen. Und: «Die Flüge wurden kompensiert.»

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