15 Jahre sind FDP-Caroni zu wenig
«Die lebenslange Freiheitsstrafe ist heute ein Etikettenschwindel»

Eine lebenslange Freiheitsstrafe dauert oft nur 15 Jahre. Das verschafft FDP-Ständerat Andrea Caroni ein ungutes Gefühl. Wie zu schon andere will er die Strafe verlängern.
Publiziert: 24.02.2021 um 11:20 Uhr
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Aktualisiert: 24.02.2021 um 11:33 Uhr
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Auslöser war der Vierfachmord in Rupperswil von Thomas Nick.
Foto: Keystone

«Etwas geht hier nicht auf», dachte sich der FDP-Ständerat Andrea Caroni (40), während er 2018 den Rupperswiler Prozess mitverfolgte. Als der Täter Thomas Nick (37) vor dem Gericht stand, mutmassten Interessierte in der ganzen Schweiz über folgendes Urteil: lebenslänglich plus Verwahrung. Caroni verspürte dabei ein ungutes Gefühl, wie die Zeitungen der CH-Media-Gruppe heute publik machten.

Wenn eine Strafe lebenslänglich sei, wieso müsse dann, wie bei Thomas Nick, zusätzlich noch die Verwahrung ausgesprochen werden, fragt sich Caroni. Es irritiere ihn, dass die lebenslange Freiheitsstrafe fast nie «lebenslang» sei. Denn: Wer keine Gefahr mehr für die Gesellschaft darstellt, kann unter Umständen tatsächlich auch bei lebenslänglich nach 15 Jahren bereits entlassen werden. Länger dauert die Strafe nur dann, wenn der Täter noch rückfallgefährdet ist.

«Andere Länder sind strenger»

«Die lebenslängliche Strafe ist heute eine Art Etikettenschwindel», sagt Caroni gegenüber CH Media. Deshalb setzt er sich nun für eine Verschärfung ein. Schliesslich sei die lebenslängliche Freiheitsstrafe die härteste Strafe in der Schweiz. «Sie muss daher das allerschwerste Verschulden abdecken können», findet der Appenzeller. Nicht rückfallgefährdete Völkermörder zum Beispiel: Sollen diese zwingend schon nach 15 Jahren entlassen werden?

Auch die Differenz zur nächsten Strafe – 20 Jahre – ist Caroni zu gering. Wer zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt wird, kann theoretisch nach 13,3 Jahren bedingt entlassen werden – nur 1,7 Jahre früher als mit «lebenslänglich». Da seien andere Länder strenger, betont der Ständerat.

«Verschärfung macht keinen Sinn»

Auch die Schweiz solle wieder härter durchgreifen, findet er und nahm deshalb im Sommer 2018 gemeinsam mit der damaligen SVP-Nationalrätin und heutigen Zürcher Regierungsrätin Nathalie Rickli (44) die Zügel selbst in die Hand. Nun muss das Parlament über die Verlängerung der lebenslangen Strafe diskutieren.

Und diese Diskussion könnte hitzig werden, denn Kritiker gibt es einige: So unterstützt der Bundesrat zwar die Debatte – die Bundesverwaltung hegt aber Einwände. Eine mögliche Verschärfung sei vor allem die Folge einer politisch-gesellschaftlichen Debatte nach grausamen Taten. Inhaltlich ergebe eine Verschärfung nicht unbedingt Sinn, heisst es. Weder sorgen härtere und längere Strafen für mehr Abschreckung, noch fördern sie die spätere Wiedereingliederung der Täter in die Gesellschaft. Eher das Gegenteil sei der Fall.

Auch die grüne Basler Nationalrätin Sibel Arslan (40) äussert sich kritisch zu einer Verlängerung. «Das heutige System hat sich bewährt. Darum besteht keine Notwendigkeit, es zu ändern», sagt sie zu CH Media. Wer gefährlich oder uneinsichtig sei, müsse auch nach 15 Jahren weiterhin im Gefängnis bleiben – das könne theoretisch auch lebenslang sein.

Glarner und Stamm wollten 60 Jahre

Das sehen nicht alle so: Der tragische Fall von Rupperswil hatte gar zu noch drastischeren Forderungen einzelner Parlamentarier geführt: So verlangten die Aargauer SVP-Nationalräte Luzi Stamm (68), dem kurz darauf nach wirren Koks-Eskapaden von seiner Partei eine Auszeit verordnet wurde, und Andreas Glarner (58), dass lebenslänglich mindestens 60 Jahre oder gar wortwörtlich lebenslang bedeuten solle.

Die beiden hatten keine Chance – weder im Parlament noch menschenrechtlich gesehen. Denn laut der Europäischen Menschenrechtskonvention darf niemand ohne Aussicht auf Entlassung eingesperrt werden. Es wäre aber möglich, dass eine bedingte Entlassung nicht schon nach 15, sondern erst nach 25 Jahren geprüft wird. Ob Schwerverbrecher tatsächlich länger eingebunkert werden können, wird sich in der kommenden Parlamentsdebatte zeigen. (dbn)


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