Halle-Attentäter grinst bei eigenem Video
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Zweiter Prozesstag:Halle-Attentäter grinst bei eigenem Video

Frauen verlassen Gerichtsaal
Halle-Attentäter (28) grinst bei Anschlag-Video

Der 28-jährige Neonazi Stephan B. steht für den Halle-Anschlag in Magdeburg (D) vor Gericht. Am 9. Oktober 2019, dem höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur, hat er schwer bewaffnet versucht, die Synagoge in Halle zu stürmen und möglichst viele zu töten.
Publiziert: 21.07.2020 um 13:39 Uhr
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Aktualisiert: 24.02.2021 um 10:24 Uhr
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Der Neonazi Stephan B. versuchte vergangen Oktober eine jüdische Gemeinschaft in Halle (D) auszulöschen. Seine Tat filmte er. Als die Aufnahme vor Gericht gezeigt wurde, grinste er.
Foto: Keystone

In Deutschland hat der Prozess zum rechtsextremen, antisemitischen Terroranschlag von Halle begonnen. An Händen und Füssen gefesselt wurde der Angeklagte Stephan B.* am Montag in den Gerichtssaal in Magdeburg (Sachsen-Anhalt) geführt.

Am Dienstag geht der Prozess in die zweite Runde – und der Angeklagte sorgt erneut für Entsetzen. B. filmte die Tat mit einer Helmkamera und streamte das Video ins Internet.

Über Witze geschmunzelt?

Die Aufnahmen wurden vor Gericht gespielt. B. grinste dabei, wie Fotos zeigen. «Ich würde gern die Aufmerksamkeit des Sachverständigen Professor Leygraf auf das Grinsen des Angeklagten lenken», sagte der Opferanwalt Alexander Hoffmann laut «Bild». Später erklärt der Neonazi: «Ich habe geschmunzelt über ein paar dämliche Witze.»

Zeitgleich verliessen sechs Frauen den Gerichtssaal, weil sie die Aufnahmen nicht mehr ertragen konnten. «Wir sind alle sprachlos», sagte eine Nebenklägerin der Zeitung. Betroffene hielten sich die Augen zu, schauten weg oder hielten die Hand ihrer Sitznachbarn und Anwälte.

Auch von Reue ist weiterhin nichts zu spüren. Das einzige, was B. zu Bedauern scheint, ist, dass die beiden Menschen, die er tötete, weder Juden oder Muslime noch Ausländer waren. Sie seien nicht seine «Feinde» gewesen, sagt der Angeklagte. Selbstkritisch ist er hingegen bei den technischen Pannen seines Anschlags. So gab es bei seinen selbst gebauten Waffen beispielsweise Ladehemmungen – was vermutlich zahlreichen Menschen das Leben rettete.

Richterin drohte, Neonazi vom Prozess auszuschliessen

Schon am ersten Prozesstag sprach B. bei Fragen zu seinem persönlichen Werdegang mehrfach abwertend über Zuwanderer in seinem Dorf im Süden Sachsen-Anhalts.

Die Richterin drohte daraufhin, den Neonazi vom Prozess auszuschliessen. «Ich werde hier im Saal keine Beschimpfungen von Menschen dulden und habe die Möglichkeit, Sie vom Verfahren auszuschliessen. Ich dulde nicht, dass Sie im Saal Straftaten begehen und Menschen beleidigen!», sagte sie laut «Bild».

Ihm droht lebenslange Haftstrafe

Dem 28-Jährigen werden 13 Straftaten angelastet, darunter Mord und versuchter Mord. Er hat die Vorwürfe nach Angaben des Gerichts im Wesentlichen eingestanden. Im Falle einer Verurteilung droht dem Mann eine lebenslange Freiheitsstrafe mit anschliessender Sicherheitsverwahrung.

Der Attentäter hatte am 9. Oktober 2019, dem höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur, schwer bewaffnet versucht, die Synagoge in Halle im Süden Sachsen-Anhalts zu stürmen.

B. tötete Passantin und Mann im Dönerimbiss

Laut deutsche Bundesanwaltschaft wollte er möglichst viele der 52 Besucher töten. Er konnte sich jedoch auch mit Waffengewalt keinen Zutritt zum Gebäude verschaffen.

Daraufhin tötete er eine Passantin vor der Synagoge und einen Mann in einem Dönerimbiss. Ausserdem verletzte er auf seiner Flucht mehrere Menschen, bevor ihn Polizisten gut eineinhalb Stunden nach Beginn der Tat etwa 50 Kilometer südlich von Halle festnehmen konnten.

Für den Prozess sind zunächst 18 Verhandlungstage bis Mitte Oktober angesetzt. 43 Nebenkläger wurden zugelassen, darunter der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Halle, Max Privorozki. Die Zahl erhöht sich voraussichtlich noch.

Am Mittwoch wurde bekannt, dass ein Ehepaar, das sich zum Zeitpunkt des Anschlags in der Synagoge befand, als Nebenkläger gelistet werden will. Ausserdem sind bislang 147 Zeugen benannt, darunter 68 Ermittlungsbeamte. Der Prozess soll nächste Woche Dienstag fortgesetzt werden. (SDA/szm)

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