Kontroverse um RTR-Serie
In der Deutschschweiz gefeiert, im Romanischen kritisiert

Das Familiendrama «L’Ultim Rumantsch» ist in der Deutschschweiz ein Erfolg. In der rätoromanischen Bevölkerung hat die Produktion jedoch eine Sprachdebatte ausgelöst.
Publiziert: 18.02.2024 um 12:56 Uhr
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Aktualisiert: 18.02.2024 um 12:57 Uhr
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Wirbelt den konservativen Familienkonzern auf: Annina Hunziker spielt in "L'Ultim Rumantsch" die Hauptrolle der Ladina Cadonau.
Foto: SRF/RTR
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Lino SchaerenRedaktor

Mit der Serie «L’ultim Rumantsch» ist dem rätoromanischen Radio und Fernsehen RTR ein Coup gelungen: Die Produktion des kleinsten SRG-Ablegers ist nicht nur in Graubünden, sondern auch in der Deutschschweiz ein Publikumserfolg.

Das fiktive Familiendrama erzählt die Geschichte eines Bündner Medienkonzerns, um den nach dem Tod des Patrons ein Machtkampf ausbricht, weil dessen Enkelin gemäss Testament die Geschicke des serbelnden Verlags übernehmen soll. Die Klimaaktivistin will die Zeitung vom Staub der konservativen Vergangenheit befreien – führt sie jedoch mit ihrem Aktivismus in den Untergang. Heute Abend läuft die finale Folge auf SRF 1.

Professor kritisiert die Serie

Dass «L’ultim Rumantsch» (Der letzte Rätoromane) in der Deutschschweiz ein grosses Publikum findet, sei für die Sichtbarkeit und das Verständnis der kleinsten der vier Sprachregionen «enorm wertvoll», heisst es beim regionalen Kultur-Dachverband Lia Rumantscha auf Anfrage.

Doch gerade die Massentauglichkeit der Serie hat unter Rätoromanen zu einem erbitterten Streit geführt. So wirft Rico Valär (43) den Machern in einer Kolumne vor, die Deutschsprachigen als Zielpublikum im Auge zu haben – und nicht die rätoromanische Bevölkerung. Die Produktion, so der Professor für Rätoromanische Literatur und Kultur an der Universität Zürich, verdiene nicht die Bezeichnung als romanische Serie.

«Pauschalisierende und emotionale Kritik»

Die Kritik des Akademikers mündete in einem Schlagabtausch mit RTR-Chefredaktor Flavio Bundi (36) in den sozialen Medien. Im Zentrum der Diskussion: die Sprache. Nicht alle Darstellenden sprechen tatsächlich Rätoromanisch, auch Hauptdarstellerin Annina Hunziker (31) nicht. Doch Valär stört sich nicht am gebrochenen Romanisch, sondern am wilden Wechsel zwischen Rätoromanisch und Schweizerdeutsch bei Dialogen unter den Bündner Figuren. Deutschsprachige fänden das vielleicht authentisch, so Valär. Auf die rätoromanische Bevölkerung jedoch wirke das nicht plausibel, sondern fast schon absurd.

Chefredaktor Bundi wirft Valär seinerseits pauschalisierende und emotionale Kritik vor. In der kleinen rätoromanischen Welt, in der die Jungen in die Grossstädte ziehen, um zu studieren, ehe sie vielleicht zurückkehrten, sei der Sprachenmix Realität. Es habe deshalb auch viele positive Reaktionen zum lebendigen Umgang mit der Mehrsprachigkeit gegeben.

Sprachdebatte erwünscht

Dass die RTR-Serie in ihren Stammlanden eine Sprachdebatte losgetreten hat, begrüsst Bundi. Dies zeige zwar, dass sich eine Bevölkerungsgruppe immer etwas schwertue, wenn es um die Beschäftigung mit sich selbst gehe. Zugleich habe «L’ultim Rumantsch» aber zur Selbstreflexion angeregt und etwas bewegt. «Die Produktion hat angeeckt und provoziert – und das ist gut so», sagt er.

Rico Valär will seine Betrachtung der RTR-Serie auf Nachfrage nicht als Grundsatzkritik verstanden wissen. Die Story sei spannend, die aufgegriffenen Themen gut. Doch das rätoromanische Publikum werde sprachlich nicht abgeholt, die Sprachsituation in der Rumantschia unrealistisch dargestellt. Viele teilten seine Meinung, so Valär, das zeige das grosse Echo auf seine Kolumne in der romanischen Schweiz.

Die Chancen stehen gut, dass die Debatte um die Selbst- und die Aussensicht in der rätoromanischen Bevölkerung noch länger dauern wird. Denn der grosse Erfolg über die Sprachgrenze hinweg macht eine zweite Staffel von «L’ultim Rumantsch» wahrscheinlich.

«Wir geben alles, damit es zeitnah eine Fortsetzung gibt», verspricht Flavio Bundi.

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