Die Queen sei eine sehr herzliche Persönlichkeit, die sich darum bemühe, dass man sich in ihrer Gegenwart wohlfühle, sagt Markus Leitner, der Schweizer Botschafter in London.
SonntagsBlick: Wo waren Sie am 2. Mai 1980?
Markus Leitner: Da war ich 14, ich kann mich nicht so genau erinnern. Aber ich weiss, dass ich nicht am Empfang der Queen gewesen bin.
Die englische Königin war damals zu Besuch in der Schweiz. Haben Sie eine Erinnerung daran?
Ja, sie war bei der Grün 80 in Basel. Und unterdessen habe ich auch ein paar alte Fotos gesehen, als sie auf dem Rütli war. Und ich kann mich an die vielen Absperrungen in Zürich erinnern und dass viele Leute unterwegs waren. Aber gesehen habe ich sie nicht.
Inzwischen aber schon?
Einmal kurz persönlich, als unser Bundespräsident bei ihr zu Besuch auf Windsor war, und etwas länger virtuell bei der Übergabe vom Beglaubigungsschreiben des Bundesrats. Da hatte ich meine 15 Minuten mit der Königin, ein Privileg, das einem als Botschafter zukommt.
Wie haben Sie das erlebt?
Ich bin einer Frau begegnet, die unheimlich interessiert und unheimlich gut vorbereitet auf das Gespräch ist. Sie wusste sehr genau, wer ich bin, wer meine Frau ist, was die Schweiz ist. Sie ist eine sehr herzliche Persönlichkeit, die sich darum bemüht, dass man sich in ihrer Gegenwart wohlfühlt, und für eine angenehme Atmosphäre sorgt. Und man spürte, dass sie sichtlich Freude hatte an diesem Austausch.
Sie ist mit 96 noch immer aktiv.
Ja, die Königin hat immer enorm diszipliniert gelebt und ist einen hohen Rhythmus gewohnt. Ich schätze, das ist ihr Antrieb und Stimulation. Jetzt kommt eine körperliche Gebrechlichkeit, aber das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie geistig nach wie vor sehr präsent ist. Sie ist nach wie vor in Kontrolle.
Markus Leitner stammt aus Zürich und studierte Ökonomie. Der Vater zweier erwachsener Kinder wechselte nach Tätigkeiten in Industrie, Handel und Finanzsektor 1996 in die Diplomatie. Im EDA arbeitete er zunächst daran, die Schweiz von der Rolle als Drehscheibe von Blutdiamanten zu befreien. Leitner wurde zuerst zum Chef der Sektion Friedenspolitik, dann zum Leiter der Abteilung «Menschliche Sicherheit». 2013 wurde er zum Botschafter in Ägypten ernannt, dann im Iran und 2021 im Vereinigten Königreich.
Markus Leitner stammt aus Zürich und studierte Ökonomie. Der Vater zweier erwachsener Kinder wechselte nach Tätigkeiten in Industrie, Handel und Finanzsektor 1996 in die Diplomatie. Im EDA arbeitete er zunächst daran, die Schweiz von der Rolle als Drehscheibe von Blutdiamanten zu befreien. Leitner wurde zuerst zum Chef der Sektion Friedenspolitik, dann zum Leiter der Abteilung «Menschliche Sicherheit». 2013 wurde er zum Botschafter in Ägypten ernannt, dann im Iran und 2021 im Vereinigten Königreich.
Die Queen hat die Teilnahme am Gottesdienst in der St. Paul's Cathedral kurzfristig abgesagt.
Das hat mich eigentlich nicht überrascht. Ein solcher Anlass verlangt viel Mobilität von ihr, und das ist nicht mehr so einfach für sie.
Sie haben daran teilgenommen. Gibt es für einen solchen Anlass bestimmte Regeln?
Wichtig ist in Grossbritannien noch immer der Dresscode. Bei solchen Feierlichkeiten ist es der Morning Dress. Für Herren ist das quasi der Tagesfrack, der nicht ganz so lang ist, aber länger als ein gewöhnlicher Strassenanzug – und natürlich mit Gilet. Anschliessend findet ein Empfang mit dem Diplomatenkorps zu Ehren der Königin statt, eine Gelegenheit zum Austausch.
Wie verbringen Sie sonst die Feierlichkeiten in London?
Ich war auch beim Trooping the Colour dabei. Und neben den offiziellen Anlässen gibt es ja unzählige Strassenfeste, solche werden wir bestimmt auch noch besuchen. Eine Feier auf der Botschaft gab es nicht, aber wir haben einen Baum gepflanzt. Das ist Teil der Aktivitäten rund um die Feierlichkeiten, auf diese Weise sind wir auch beteiligt.
Die Schweiz und England sind beide nicht beziehungsweise nicht mehr in der EU, fördert das die Freundschaft zwischen den Ländern?
Ich glaube, wir geniessen grossen Respekt hier in Grossbritannien – und das war schon vor dem Brexit so. Die Schweiz hat ein paar Probleme gelöst, an denen Grossbritannien noch dran ist. Also die Frage der wirtschaftlichen Produktivität, da sind wir um einiges weiter. Oder wie man das wirtschaftliche Wachstum besser über die Regionen verteilt. Wichtig sind auch die Fragen nach Einheit in der Diversität, also bezüglich der Abspaltung von Schottland oder Nordirland. Lauter Dinge, für welche die Schweiz Lösungen hat, an denen Grossbritannien sehr interessiert ist. Und seit dem Brexit haben wir die gleichen Ansprechpartner in Brüssel, mit teils gleichen Fragen.
Den Brexit spürt man bei der Einreise. Ich habe fast vergessen, meinen Pass mitzunehmen. wird sich das ändern?
Das mit dem Pass wohl nicht. Aber es gibt noch gewisse Kinderkrankheiten im System, bei denen wir auf Vereinfachungen hoffen. So für Schweizer Dienstleister hier in Grossbritannien, aber auch für das Visum für junge Menschen, die herkommen wollen.
In einer Umfrage gaben fast 40 Prozent der Briten an, die Monarchie sei ein Luxus, den sich das Land eigentlich gar nicht leisten könne. Wie sehen Sie die Zukunft der Monarchie?
Das ist der Blick in die Kristallkugel, der etwas schwierig ist. Ich glaube, die Briten schätzen einfach, was die Queen repräsentiert. Diese Kontinuität, diese Disziplin, dieser Gegenpol zum hektischen Tagesgeschäft. Es wird wohl eine andere Monarchie sein, wenn sie mal abtreten sollte. Aber momentan sieht man gerade bei diesen Festlichkeiten, wie enorm populär die Monarchie ist.
Die Energie- und Lebensmittelpreise schiessen in Grossbritannien wegen Brexit und Krieg in die Höhe, ist in einer solchen Zeit eine grosse Party angemessen?
Das sind natürlich Themen, die die Leute beschäftigen und sehr wichtig sind. Aber ich glaube, die Feierlichkeiten bieten einen Gegenpol zu den schwierigen Alltagsfragen. Man kann einfach mal ein Loslassen und der Königin den Respekt zollen, den sie verdient hat.
Die Briten haben mit dem Bergsteigen den Tourismus in der Schweiz begründet, die Königsfamilie fährt bei uns Ski.
Das ist nach wie vor enorm populär, obwohl dieses Bild von der Schweiz mit seinen Klischees von Käse, Schokolade und Berge teils noch aus dem 19. Jahrhundert stammt. Es ist aber nach wie vor ein positives Image, viele Briten kommen in die Schweiz, um genau das zu erleben. Aber man kennt auch die moderne Schweiz. Grossbritannien und die Schweiz sind die grössten Finanzplätze Europas, traditionell sind wir Freihandelsnationen, auch das verband uns schon lange vor dem Brexit.
Welche Leistung erbrachten wir Schweizer auf der Insel?
Wir hatten im 19. Jahrhundert bereits eine sehr grosse Schweizer Kolonie hier. Darunter sehr viele Tessiner, die hier die Gastronomie begründet haben. Das kennt man vielleicht etwas weniger, hat aber Spuren hinterlassen. Und bis heute leisten hier Schweizer Herausragendes, etwa in der Architektur.
Der Besuch der Queen lief damals nicht so ganz rund. Wenn heute Prinz William und Kate in die Schweiz kämen, was wäre anders?
Sie hätten wahrscheinlich nicht ganz so viel Zeit wie damals die Queen. Solche Besuche sind minutiös geplant und durchgetaktet, wahrscheinlich noch mehr als damals. Dazu gibt es ein sehr klares und striktes Protokoll, und damit haben wir auch sehr viel Erfahrung.
Was würden Sie dem Paar in der Schweiz zeigen?
Genau das, was Prinz William und Kate als modernes Paar repräsentieren und zu verbinden versuchen: Tradition und Innovation. Ein Bild der Schweiz, das auch wir zu vermitteln versuchen, also die Modernisierung des Heidi-Images. Ich gehe aber nicht davon aus, dass ein solcher Besuch unmittelbar bevorsteht. Wenn, dann werden die beiden wohl eher privat für Ferien in die Schweiz kommen und die königliche Skifahrtradition fortsetzen.
Mehr zur Queen
Zum Schluss noch vier kurze Fragen: Queen (die Königin) oder Queen (die Band)?
Da hätte ich gerne ein «und», aber heute ist die Queen die Königin.
Meer oder Berge?
Für mich eher Berge.
London oder Bern?
Dort, wo ich lebe, und das ist momentan London.
Robin Hood oder Wilhelm Tell?
Wilhelm Tell.