Verkauf der Warenhauskette steht kurz bevor
Wie der Globus seine Identität verlor

Seit der Übernahme durch die Thais wurde Globus konsequent auf Luxus getrimmt. Damit ist das Traditionsunternehmen vielen Schweizern fremd geworden. Warum das auch ein Verlust Schweizer Kultur ist.
Publiziert: 04.08.2024 um 00:01 Uhr
|
Aktualisiert: 05.08.2024 um 17:49 Uhr
1/5
Stolzes Flaggschiff: Der Globus an der Bahnhofstrasse wurde als erstes voll auf Luxus getrimmt.
Foto: Thomas Meier
Mitarbeiterfoto_06.jpeg
Lisa AeschlimannReporterin & Blattmacherin

Wer an einem Samstag den Globus an der Bahnhofstrasse, das Zürcher Flaggschiff, betritt, dem wehen die Beats des Live-DJs entgegen, den blenden das Gold und die spiegelglatten Marmorböden und dem sticht – nach den Nahost-Touristinnen und -Touristen mit übergrossen Sonnenbrillen – vielleicht ein Off-White-Shirt für 460 Franken ins Auge.

460 Franken für ein Stück Stoff? Ist das noch Luxus oder schon obszön? Was ist mit dem Globus passiert?

2020 verkaufte die Migros den Globus für wohl eine Milliarde Franken an die thailändische Central und die österreichische Signa. Das Joint-Venture vereinte unter sich die grösste Luxuswarenhauskette der Welt. Vereinte – denn seit der Pleite von René Benkos Signa-Gruppe im letzten November wird ein neuer Käufer gesucht.

Nun steht der Verkauf kurz bevor. Laut Insidern könnte es bereits kommende Woche zur Unterschrift kommen, schreibt die «NZZ». Alles deute darauf hin, dass Central-Group die Anteile am operativen Geschäft der insolventen Signa übernehme.

Mit dem Verkauf an die Thailänder begann die tiefgreifende Transformation im Schweizer Traditionsunternehmen: Luxus statt gutbürgerlich, Marke statt Produkt, internationale Zielgruppe statt schweizerisch. Geht die Strategie, konsequent auf Luxus zu setzen, auf? Was geht verloren bei diesem Reset?

Mehr als ein Jahrhundert lang stattete das Warenhaus, 1907 nach Pariser Vorbild gegründet, das Schweizer Bürgertum aus. Globus stand für Schweizer Qualität, in den Produkten, im Handwerk und Service – erstklassig also.

Ein Stück Schweizer Kultur

Die Geschichte von Globus ist auch eine Geschichte der Schweiz.

Anlässlich des 25-Jahr-Jubiläums suchte der damalige Werbechef einen Werbeträger, der bei Kindern ankommt. Mit Globi erschuf er die bis heute erfolgreichste Schweizer Kinderbuch-Figur. Benannt nach der Basler Aussprache des Warenhauses «Gloobi».

Josef Weber, der Sohn eines reichen Händlers, eröffnet 1892 auf der Papierwerdinsel in Zürich das erste grosse Warenhaus der Schweiz.
Foto: Archiv

Selbst in der Zürcher Politgeschichte hat das Warenhaus seinen Platz: Ende des 19. Jahrhunderts war der «Bazar ohne Gleichen» auf der Papierwerdinsel, der Vorläufer des Warenhauses Globus, das erste grosse Kaufhaus der Stadt. Ein Versuch, dort später das Flaggschiff zu errichten, scheiterte an einer Volksabstimmung. In den 68ern wurde das fortan als Globus-Provisorium bekannte Gebäude Austragungsort und Namensgeber der Globus-Krawalle: Studierende forderten im leeren Provisorium ein autonomes Jugendzentrum. Der Plan scheiterte, das Provisorium steht heute noch, es wurde zur Coop-Filiale.

Im Juni 1968 kam es zu Ausschreitungen vor dem Globus-Provisorium auf der Papierwerdinsel.
Foto: Keystone

Ab 1997 Teil des Migros-Konglomerats, bewahrte der Globus seinen Charakter, blieb immer das Besondere im Alltag. Zu Weihnachten konnte man sich die Delikatessen am «Päcklitisch» schön einpacken lassen – lange bevor andere Läden dies anboten. Wollte man sich für einen besonderen Anlass einkleiden, konnte man auf exzellente Beratung mit langjähriger Erfahrung in der Modeabteilung zählen.

Lange lief das Geschäft. Ab Mitte Nullerjahre jedoch sanken die Umsätze der meisten Warenhäuser mit dem Aufkommen des Online-Handels drastisch. Während die Globus-Gruppe 2003 noch einen Umsatz von rund 1,7 Milliarden erwirtschaftete (damals noch mit dem Herren Globus, Interio und Office World) und 3000 Mitarbeitende beschäftigte, waren es zuletzt noch 554 Millionen Franken (2020) und 1700 Mitarbeitende. Das Warenhaus schrieb notorisch Verluste. Die Anzahl Warenhäuser schrumpfte von 13 (2007) auf acht (2024).

300 Millionen Franken in Umbau investiert

Zur neuen Luxus-Strategie sagt Globus-CEO Franco Savastano im Interview mit der «NZZ»: «Wir wollen in jeder Stadt zuoberst im Premiumsegment sein.» Der Plan ist, den Umsatz bis 2028 von 540 auf 700 Millionen zu steigern und den Konzern in die Gewinnzone zu führen.

Für den Reset ist einiges an finanziellen Mitteln nötig: Bis Ende Jahr werden insgesamt 300 Millionen Franken in den Umbau der Warenhäuser geflossen sein. Online will man stark ausbauen und zu einer Art «Zalando für Luxusmode» werden.

Als Erstes wurde das Flaggschiff an der Bahnhofstrasse für 14 Millionen umgebaut. St. Gallen folgte, in Basel laufen die Bauarbeiten und Zürich-Bellevue soll im Herbst wieder eröffnen. Dereinst soll es in allen Warenhäusern so aussehen wie in Zürich.

Der neue Globus an der Bahnhofstrasse: Luxus statt Middle-Class
Foto: ZVG

Passiert mit dem Globus dasselbe wie mit der Migros? Migros mochte man. Den Globus auch. Doch nun fremdelt man. Selbst der Globus-CEO gibt zu: «Natürlich haben wir kurzfristig – wie immer in einer Transformation – auch Kunden verloren.»

Gut möglich, dass die Entfremdung auch mit der neuen Führung zu tun hat: Der Chirathivat-Clan, eine der reichsten Familien Thailands, gilt als sehr kostenbewusst, hierarchisch und konservativ.

Globus ist anonymer geworden

Detailhandelsexperte David Morant (33) von der Strategieberatung Carpathia sagt, Globus habe beim Mittelstand an Zugänglichkeit verloren. Aufgefallen sei ihm das, als er das renovierte Warenhaus in St. Gallen betrat. Das Haus sei zwar sehr schön und hochwertig, mit der neuen Ausrichtung gehe aber auch eine etwas kühlere Stimmung einher. Gerade in der Modeabteilung sei das Sortiment deutlich kleiner geworden, «etwas Unaufgeregtes in verschiedenen Grössen und Passformen ist schwieriger zu finden».

Man könnte auch sagen: Der Globus ist anonymer geworden. Austauschbarer.

Morant sagt, die Zielgruppe «traditioneller Geschäftsmann, oberer Mittelstand, mittleres Alter, die sich komplett ausstatten möchten», werde weniger angesprochen. Diese Kundschaft geht jetzt zu PKZ. Während Globus eher verhalten wächst, hat die Konkurrenz in den letzten Jahren stark zugelegt.

«Die Neupositionierung von Globus kann sich in grossen Städten mit internationaler Kundschaft durchaus rechnen», sagt Morant. «Ich bin aber unsicher, ob dies in kleineren und ländlicheren Regionen wie St. Gallen und Bern aufgeht.» Der Globus habe als Schweizer Kulturgut in der breiten Bevölkerung immer besondere Sympathien genossen. Die Luxuspositionierung stelle dies nun auf den Prüfstand.

«So weitermachen ging nicht mehr»

Der Handels- und Konsumexperte Marcel Stoffel (60) begrüsst den Wandel: «So weitermachen wie bisher ging nicht mehr. Sonst hätte er wohl kaum überlebt.»

In den letzten Jahren sei die Positionierung in der Mittelklasse zunehmend schwieriger geworden, da Konkurrenten wie PKZ, Manor und diverse Online-Anbieter den Wettbewerb intensiviert hätten. «Es haben sich alle Warenhäuser nach oben entwickelt, weil sie dort ihre Chancen sehen.» Die Neupositionierung im Luxussegment sei richtig und konsequent: Es passe zur DNA des Globus.

Der Strategiewandel ist umso nötiger geworden, da sich das Einkaufsverhalten im oberen Segment verändert hat: nicht mehr das Produkt steht im Zentrum, sondern die Marke. «Wir leben nicht mehr in einer Produktewelt, sondern in einer Markenwelt», sagte CEO Savastano im Interview.

In grossen Städten reicht es, die richtigen Marken anzubieten. Kunden stehen Schlange für Louis Vuitton oder Balenciaga – egal, ob es passt oder nicht. Gute Beratung wird zur Nebensache. Entsprechend hat sich das Kräfteverhältnis verändert: Begehrte Marken entscheiden heute selbst, in welchen Läden sie präsent sein wollen. Einzelhändler müssen sich aktiv um neue Marken bemühen und ihnen ein passendes Umfeld bieten.

Fokus auf jüngeres Publikum

Globus' Neupositionierung bringt auch eine neue Kundschaft mit sich: jünger und internationaler. Generell hat sich der Fokus von Luxuskaufhäusern in den letzten Jahren auf Millennials und Gen Z verschoben – Generationen, die Wert auf Exklusivität, Erlebnis aber auch Nachhaltigkeit legen. «Man kauft tendenziell weniger, spart auch mal länger für etwas, gibt aber mehr aus dafür», sagt Konsumexperte Stoffel. Der Preis rücke in den Hintergrund: «Es interessiert niemanden, ob die Designertasche nun 20 Prozent mehr oder weniger kostet.»

Besonders aufmerksam schielen die Warenhäuser-Chefs auf asiatische Touristen: Sie sind bekannt für ihre hohe Ausgabenbereitschaft, zudem können sie im Ausland die heimische Luxussteuer von 40 Prozent umgehen.

Immer noch in der Verlustzone

Geht die neue Strategie auch auf? Savastano sagte zur «NZZ», man sei auf Kurs und restrukturiert das Unternehmen schneller als geplant. Ein Sprecher lässt gegenüber SonntagsBlick verlauten, die Positionierung sei «erfolgreich», von Kundenseite sei das neue Konzept «sehr positiv aufgenommen worden».

Die «Handelszeitung» schreibt, dass Globus weiterhin 40 bis 50 Millionen jährlich Verlust einfährt.

Ende Januar hat Globus restrukturiert und 26 Mitarbeitende entlassen. Angestellte berichteten von einer niedergeschlagenen Stimmung. Je länger sich der Verkauf hinzieht, umso länger die Unsicherheiten beim Personal und der Führung. Und auch die begehrten Marken werden die Entwicklungen sehr genau mitverfolgen.

Man würde dem Globus ein paar ruhige Jahre gönnen.

Fehler gefunden? Jetzt melden

Was sagst du dazu?