Sean Hill ist überall und nirgends. Mal taucht er in London auf, dann in Berlin, Dublin, Amsterdam, Mailand oder Kopenhagen. Auch an der Zürcher Bahnhofstrasse ist er gelegentlich anzutreffen. Doch er ist kaum sichtbar, Bilder von ihm sind rar, die letzten Aussagen datieren von 2018. Dabei mischt Hill gerade den europäischen Detailhandel auf. Er tut es für den thailändischen Milliardenkonzern Central Group. Sein Auftrag ist ambitiös: die grösste Luxus-Warenhausgruppe in Europa kreieren. Zu seiner Welt der Luxustempel zählt auch die Globus-Gruppe in der Schweiz. «Sean ist bei diesem Plan die zentrale Person», sagt ein Involvierter.
Hill gehört zum Chirathivat-Clan, zu einer der reichsten Familien Thailands. Sie beherrscht den Milliardenkonzern Central Group, einen Detailhandelsriesen mit 2500 Filialen. Hills Urgrossvater gründete die Firma vor hundert Jahren in Bangkok; Chef des Imperiums ist heute Tos Chirathivat, der Enkel des Firmengründers. Sean Hill ist sein Neffe.
Hill hat nur exklusive Warenhäuser in ikonischen Immobilien im Visier, mindestens hundert Jahre alt müssen sie sein, lieber mehr. Dazu gehören die Warenhauskette Selfridges in Grossbritannien (1909 gegründet), Brown Thomas Arnotts in Irland (1848), Illum in Dänemark (1891), De Bijenkorf in den Niederlanden (1870), La Rinascente in Italien (1917) sowie KaDeWe in Deutschland und Globus in der Schweiz – beide 1907 gegründet.
Neben Bär hat auch EFG Kredit gewährt
Doch die Integration all dieser Traditionshäuser ist anspruchsvoll und dauert eine Ewigkeit. Was alles verzögert, ist die Pleite von Geschäftspartner René Benko und seiner Signa-Gruppe, die die meisten Beteiligungen zusammen mit Central kontrolliert. Noch sind komplexe Finanzierungs- und Eigentümerfragen zu klären, zuvorderst bei Selfridges und bei Globus.
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Aktuell wird über Selfridges verhandelt. Hill will die Warenhauskette mit ihrem Hauptgeschäft an der Londoner Oxford Street unter volle Kontrolle der Central Group bringen. Es ist nicht einfach, denn es sind Dritte beteiligt, nämlich der Staatsfonds PIF aus Saudiarabien, der 15 Prozent an Selfridges hält. Zudem sind weitere Investoren involviert, darunter die Zürcher Banken Julius Bär und EFG.
Bär hat bei Benkos fallierter Signa einen Kredit über 200 Millionen Franken ausstehend und dafür bloss zweitrangige Sicherheiten erhalten. Das Darlehen hat die Bank abgeschrieben, wie viel sie noch davon sehen wird, ist offen. «Im besten Fall kriegt sie 100 Millionen zurück», sagt ein Beteiligter. Die EFG-Bank wiederum hat nicht Benko einen zweistelligen Millionenkredit gewährt, sondern der kapitalkräftigen Central Group. EFG-Sprecher Patrick Friedli bestätigt: Ein Kredit «von weniger als 100 Millionen Pfund» sei mit der Selfridges-Filiale in Manchester besichert und werde von der Selfridges Group auch bedient. Ausgestellt ist er auf eine Investgesellschaft in London, in der Sean Hill, also die Thailänder, das Sagen hat.
Diese komplizierten Verhandlungen rund um Selfridges sollen in den nächsten zwei bis drei Wochen abgeschlossen sein, heisst es. Es wäre das Masterpiece von Central-Group-Mann Hill persönlich, denn er ist nur mit einem kleinen Kernteam am Werk: Involviert ist neben ihm das Team Merger & Acquisitions von Central Group, eine Anwaltskanzlei, dazu Retail- und Immobilienberater – ein Dutzend Leute.
André Maeder soll es richten
Ist der Fall Selfridges gelöst, wird sich Hill als Nächstes um Globus kümmern. Auch da sind ein paar knifflige Fragen offen, denn noch ist nicht definitiv entschieden, wer in der Schweiz die Signa-Anteile – je 50 Prozent an den Immobilien und 50 Prozent am operativen Geschäft – übernimmt. Bis zur Klärung könnte es Mitte Mai werden. In der Poleposition ist Central Group, ausgestattet mit einem Vorkaufsrecht.
Beteiligt an den Verhandlungen ist auch der Schweizer André Maeder, Chef von Selfridges und künftiger Chef der europäischen Luxus-Gruppe, die nach dem Benko-Spuk nun aufgegleist wird. Ausgemacht ist, dass die Warenhausgruppe rund um die britische Selfridges gebaut wird. Die neue Organisation wird in London ihren Sitz haben, sagen mehrere Quellen.
Eben dort, wo Maeder wirbelt. Er hat bis letzten Herbst die KaDeWe-Gruppe in Deutschland geführt, gilt als erprobter Warenhäusler, der jede Stellschraube kennt. Der künftige Luxus-Warenhaus-König Europas will mit einem exklusiven Einkaufserlebnis eine anspruchsvolle Kundschaft in die Läden locken, so wie es Selfridges an der Oxford Street mit drei Kinosälen und Kochkursen mit Star-Chefs vorexerziert. Um die Kosten zu trimmen, muss er die sieben Häuser zusammenführen, Wareneinkauf, Marketing und Rechnungswesen synchronisieren. Und natürlich den Online-Verkaufskanal zum Glühen bringen. Auch da ist Selfridges der Taktgeber der ganzen Luxus-Gruppe, nein, der Warenhausbranche weltweit.
Im Gegensatz zu Sean Hill gehört der gebürtige Freiburger André Maeder nicht zum Chirathivat-Clan, aber er wird in der Zentrale Bangkok geschätzt. Als er 2023 mit seiner KaDeWe-Gruppe den Titel «Most Innovative Department Store in the World» zugesprochen erhielt, reiste ein halbes Dutzend Mitglieder der Besitzerfamilie Chirathivat an die Gala nach Dubai, um mit Abräumer Maeder anzustossen. Zu den ersten Gratulanten gehörte auch Sean Hill.