Seit acht Monaten befindet sich die katholische Kirche in der Schweiz im Krisen-Modus. Letzten September veröffentlichte die Uni Zürich eine Studie, die über 1000 Missbrauchsfälle ans Licht brachte. Die Historikerinnen Monika Dommann (58) und Marietta Meier (58) sprachen von einer «Spitze des Eisbergs». Eine weitere Studie soll das ganze Ausmass der sexuellen Übergriffe beleuchten.
«Die Kirche stellt sich ihrer Vergangenheit»
Wie Blick weiss: Bei der Kommunikation im September liessen sich die Schweizer Bischöfe von Peter Lauener (53) coachen, dem ehemaligen Kommunikationsberater von Bundesrat Alain Berset (52). «Ich unterstütze als Selbstständiger verschiedene Kundinnen und Kunden bei Kommunikation und Strategie», sagt Lauener zu Blick. «Die katholische Kirche ist eine wichtige Institution. Sie stellt sich endlich ihrer Vergangenheit.»
Eine Vergangenheit, die zugleich ihre Gegenwart ist. Seit Oktober 2023 haben sich deutlich mehr Opfer als sonst bei Liliane Gross (55) gemeldet. Die Juristin ist bei der katholischen Kirche Präsidentin der Kommission Genugtuung. Seit Oktober gab es über 52 Anträge von Missbrauchsopfern auf Entschädigung. Die Betroffenen erhalten einen Betrag zwischen 10’000 und 20’000 Franken.
Genugtuungsfonds braucht mehr Geld
Aufgrund der vielen Fälle geht Gross bald das Geld aus. «Die Kommission Genugtuung hat rechtzeitig auf die abnehmenden Geldmittel hingewiesen und ein ausserordentliches Gesuch gestellt, das derzeit bei den Geldgeberinnen pendent ist», sagt Gross. Die Präsidentin ist zuversichtlich, dass die Mittel bewilligt und Opfer weiterhin unbürokratisch entschädigt werden.
Mehr zur Missbrauchskrise
Hinzu kommt ein Verfahren, das der Vatikan gegen sechs Schweizer Bischöfe wegen Vertuschung angeordnet hat. Aktuell weilt der Bischof von Chur, Joseph Bonnemain (75), in Rom – offenbar auch, um die Ergebnisse der Untersuchung mit dem Vatikan zu besprechen. «Wir informieren Ende Mai», sagt Bonnemains Sprecherin Nicole Büchel (47) zu Blick.
Kirche soll staatliche Opferstellen finanziell unterstützen
Am 27. Mai wollen die Bischöfe in einem Mediengespräch auch über Massnahmen informieren, die sie seit letztem September ergriffen haben. Hierzu war der Präventionsbeauftragte der Schweizer Bischöfe, Stefan Loppacher (44), im April bei der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren vorstellig (SODK).
Die SODK machte dem Kirchenmann eine klare Ansage: Die katholische Kirche soll sich an der Arbeit der staatlichen Opferstellen finanziell beteiligen. Hierzu werde es nun Diskussionen auf politischer Ebene geben, teilt die SODK mit. Voraussichtlich im Mai werde es einen Austausch im Rahmen eines runden Tisches zwischen Vertretern der Opferhilfe, der katholischen Kirche und von Betroffenenorganisationen geben.
«Zahlreiche Fragen sind noch offen»
Bereits jetzt steht fest: Das Mediengespräch vom 27. Mai hat als zentrale Botschaft: «Zahlreiche Fragen sind noch offen. Doch wir haben wichtige erste Erkenntnisse gewonnen und es sind neue Aspekte aufgetaucht. Dazu möchten wir offen Einblick geben und Fragen beantworten.» So steht es in einem Strategiepapier, das Blick vorliegt.
Das Werkstattgespräch solle «die Ernsthaftigkeit der aktuellen Bemühungen aufzeigen und das Vertrauen schaffen, dass die Führungsgremien nach wie vor engagiert dran sind und bleiben. Es soll aber auch auf Problemstellen und Herausforderungen hingewiesen werden.» Externer Kommunikationscoach ist dieses Mal nicht Peter Lauener, sondern Gaby Wyser (57).