Bischof Joseph Bonnemain (75) und Bischof Felix Gmür (57) haben ein Versprechen eingelöst: Sie haben sich am Mittwoch beim Papst persönlich für Reformen in der katholischen Kirche eingesetzt. Laut den Fotos, die der Vatikan verbreitet hat, war die Stimmung gut. Doch der Inhalt des Gesprächs war bitterer Ernst: Das dunkelste Kapitel der Schweizer Kirchengeschichte – der zigfache Missbrauch an Kindern und Jugendlichen durch Priester.
Eine Studie der Uni Zürich hat für die letzten Jahrzehnte über 1000 Fälle nachgewiesen. Dabei handelt es sich nur um die Spitze des Eisbergs – in den nächsten Jahren dürften viele weitere Fälle ans Licht kommen.
Präventionsexperten und sogar der Bundesrat fordern wirksame Schritte von der Kirche. Die heissen Eisen, die die Schweizer Bischöfe beim Papst ansprachen, waren:
- Ein nationales Straf- und Disziplinargericht: Zurzeit wurstelt jeder Bischof bei Missbrauchsfragen vor sich hin. Gegen mehrere Bischöfe gibt es Vertuschungsvorwürfe, davon betroffen ist auch der Basler Bischof Felix Gmür. Künftig soll sich ein schweizweites Kirchengericht um Missbrauchsfälle kümmern. Dafür braucht es die Zustimmung Roms. Wie Blick erfahren hat, gab der Papst hierfür grünes Licht. Die Schweizer Bischöfe sollen dafür Vorbereitungen treffen und Rom einen Plan zur Genehmigung vorlegen.
- Schluss mit der Aktenvernichtung: Laut Kirchenrecht müssen Missbrauchsakten nach einer bestimmten Zeit vernichtet werden. Der Papst ist damit einverstanden, dass die Schweizer Bischöfe keine Akten mehr schreddern. Allerdings gibt es hier noch juristische Fragen zu klären.
- Zugang zu kirchlichen Archiven: Der Vatikan verweigert Historikerinnen der Uni Zürich den Zugang zu Schweizer Missbrauchsakten, die beim Papst-Botschafter in Bern und im Vatikan liegen. Hier bissen die Bischöfe in Rom auf Granit: Die Vatikan-Botschaft geniesst diplomatischen Schutz. Trotzdem sind die Bischöfe Bonnemain und Gmür zuversichtlich, dass Bewegung in die Sache kommt. Die Anliegen seien in Rom auf Verständnis gestossen, heisst es im offiziellen Communiqué der Bischofskonferenz.
Mehr Taten, weniger Worte wünscht sich das Missbrauchsopfer Thomas Pfeifroth (57). Er fordert schon seit Wochen Akteneinsicht von Bischof Felix Gmür – und hat bislang nichts erreicht. «Bischof Gmür hat sich bei mir gemeldet, aber ich habe noch keine einzige Akte aus Solothurn erhalten», kritisiert Pfeifroth.
Mentari Baumann (30) von der Reform-Gruppe Allianz Gleichwürdig Katholisch fordert von den Schweizer Bischöfen mutige Schritte vorwärts: «Wirksame Präventionsarbeit braucht radikale Reformen in der Kirche. Mit ein paar Massnahmen ist es nicht getan.»