Präsident Balz Bürgisser (69) ist enttäuscht: Jahrelang arbeitete er mit dem Kassier des Zürcher Quartiervereins Witikon zusammen, vertraute ihm. Doch nach dem Tod des Kassiers Anfang März wird klar, dass dem Verein rund 100'000 Franken fehlen. «Dabei legte er stets sauber gestaltete Jahresrechnungen vor. Gemäss diesen schafften wir es sogar immer, einen kleinen Gewinn zu machen», sagt Bürgisser zu Blick. Was niemand wusste: Die Abrechnung war manipuliert.
Am 8. März stirbt der Kassier im Alter von 68 Jahren an Herzversagen. Eine Frau übernimmt ab dem 1. April interimistisch sein Amt – und schlägt sofort Alarm, als sie Zugriff auf die Konten erhält. «Danach habe ich angefangen, zu recherchieren», sagt Bürgisser. Der Präsident entdeckt, dass der Kassier wohl seit 2010 nicht korrekt gearbeitet hat.
Alle Unterlagen gefälscht
«Er hat Geldbeträge von unserem Vereinskonto abgehoben oder sich selbst überwiesen, hat Bankbelege gefälscht und auch die Jahresrechnung manipuliert», sagt der Präsident. «Nie hätte ich gedacht, dass er uns so hintergeht.» Nicht einmal die Revisoren seien ihm auf die Schliche gekommen. «Sie haben ihn sogar für seine saubere Arbeit gelobt. Wir alle hatten keinen Grund, ihm nicht zu vertrauen.»
«Der Kontostand auf dem Hauptkonto des Vereins betrug Ende 2022 statt etwa 77’000 nur 3400 Franken. Auch auf den anderen beiden Vereinskonten fehlte Geld – in Summe rund 100’000 Franken. Wir sind aus allen Wolken gefallen», sagt Bürgisser.
«Er mahnte zu Sparsamkeit»
Inzwischen hat der Verein externe Experten hinzugezogen. «Wir wollen eine lückenlose Aufklärung. All diese Informationen beruhen ja auf unsere eigenen Recherchen. Eine offizielle Stelle soll diese detailliert belegen», sagt Bürgisser. «Zudem wollen wir Konsequenzen ziehen, um in Zukunft so etwas zu verhindern.»
Dabei habe der Kassier so vertrauenswürdig gewirkt und sei seit 2006 im Verein tätig gewesen. «Er wirkte stets kompetent und schien alles im Griff zu haben und das beste für den Verein zu wollen. Gab jemand etwas mehr Geld aus, wies er diese Person gleich zurecht. Er mahnte zu Sparsamkeit», sagt der Präsident.
Mann schenkt 20 Franken
Doch nun hat der Mann ein enormes Loch in der Kasse des Vereins hinterlassen. Das hat Folgen: So musste die 1. August-Feier in Witikon abgesagt werden. Für den Räbeliechtli-Umzug werde der Verein ein Crowdfunding starten. «Es macht uns traurig, dass wir die Bundesfeier in diesem Jahr nicht durchführen können», sagt Bürgisser. «Es ist unser oberstes Ziel, für mehr Lebensqualität im Quartier zu sorgen.»
Der Verein bekomme eine enorme Solidarität zu spüren. «Es kommen sehr ermunterte Worte und gerade gestern hat uns ein Mann 20 Franken geschenkt. Es sind eben solche kleinen Gesten, die uns zeigen, dass wir als Verein mit unserem Tun auf dem richtigen Weg sind. Und wir werden weitermachen.»
Der Verein werde gemäss dem Präsidenten versuchen, das Geld zurückzuholen. «Wir werden auf jeden Fall Forderungen gegenüber dem Nachlass des verstorbenen Finanzvorstandes stellen.»