Finanz-Skandal bei der Patrouille des Glaciers
Die Armee wusste Bescheid!

Vor vier Jahren warnte ein Bericht: Die Zusammenarbeit mit dem Unterstützungsverein der Patrouille des Glaciers stellt ein Problem dar. Trotzdem passierte: nichts.
Publiziert: 10.07.2021 um 20:00 Uhr
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Aktualisiert: 11.07.2021 um 15:24 Uhr
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In den letzten Monaten geriet die Patrouille des Glaciers, dieses legendäre Skitouren-Rennen im Wallis, in die Schlagzeilen.
Foto: Keystone
Camilla Alabor

So richtig überrascht war in der Armee wohl niemand, als die Patrouille des Glaciers vor ein paar Monaten im Strudel einer Finanzaffäre versank: Statt mit sportlichen Höchstleistungen machte das legendäre Skitourenrennen in den Walliser Alpen mit skandalösen Zahlungen von sich reden.

Der Vorstand des Unterstützungsvereins zur Durchführung der Patrouille (französische Abkürzung ASPDG) hatte sich grosszügig aus der Vereinskasse bedient. Zwar konnte den fünf Männern kein strafrechtlich relevantes Verhalten nachgewiesen werden. Moralisch fragwürdig waren die Bezüge – in zwei Jahren mehr als 900'000 Franken – allemal.

Nur: Überraschend kam das alles nicht. Ein Audit der Armee, die den Anlass organisiert, hatte bereits 2017 ergeben, dass die Zusammenarbeit mit dem Unterstützungsverein problematisch sein könnte, und vor einem Imageschaden für den Bund gewarnt: «Fakt ist, dass ein privater Verein mit einem Armeeeinsatz Geld verdient», betont der Bericht in aller Deutlichkeit. Zudem seien Mitglieder des Vereins gleichzeitig für die Armee aktiv. «Dies wirft Fragen der Unabhängigkeit und der Interessenlage auf.» Es bestehe Handlungsbedarf. Unter anderem empfehlen die Autoren des Berichts, einen unabhängigen Vertreter in den Verein zu entsenden, der die Finanzen im Auge behalten kann.

VBS wurde auf später vertröstet

Die Armee kannte also das Risiko, dass sich der Verein mit öffentlichen Geldern bereichern könnte – unternahm aber trotzdem praktisch nichts. Zwar überarbeitete sie die Vereinbarung mit dem Verein ein wenig. Doch nicht einmal diese sanften Anpassungen konnte die Armeeführung gegenüber dem Vereinsvorstand durchsetzen. Dies belegen Sitzungsprotokolle, in die SonntagsBlick – gestützt auf das Öffentlichkeitsprinzip – Einsicht nehmen konnte. Im Gegenzug versuchten die fünf Vorstandsmitglieder, Kommandant Daniel Jolliet in ein schlechtes Licht zu rücken: den Chef der Patrouille, der seitens der Armee kritische Fragen stellte.

Jolliet hatte darauf bestanden, dass sich der Vorstand an die Abreden hält: Gemäss Vereinbarung ist der Verein verpflichtet, der Armee eine Liste mit allen Sponsoren vorzulegen, die das Rennen unterstützen. Auszuhändigen ist demnach auch eine Liste, aus der die Höhe der Sponsorengelder hervorgeht.

Doch die Fünfergruppe hat diese Dokumente dem Verteidigungsdepartement (VBS) nie übergeben. Vielmehr gelang es den Wallisern, das VBS auf später zu vertrösten – und damit einen widerrechtlichen Zustand zu akzeptieren.

Keine Priorität bei den Steuergeldern

Das ist pikant, denn der Unterstützungsverein ist verpflichtet, ab einem gewissen Schwellenwert einen Teil seines Gewinns an die Armee zu überweisen. Sie verantwortet den Anlass ja. Doch der sorgsame Umgang mit Steuergeldern stand, wie es scheint, auf der Prioritätenliste des VBS nicht zuoberst.

Weshalb der Vereinsvorstand mit seinem Verhalten durchkam und ob die Armee die Verträge inzwischen erhalten hat, bleibt offen – das VBS sieht sich aufgrund von Ferienabwesenheiten ausserstande, diese Fragen zu beantworten.

Zur gleichen Zeit schiesst sich der Unterstützungsverein seinerseits auf den Armee-Kommandanten ein. Das zeigen Notizen des Vorstands für die Sitzung vom 30. November 2020.

Gemäss den Sitzungsnotizen wirft der Vereinsvorstand Kommandant Jolliet vor, zu lügen. Es mangele ihm an Loyalität und Integrität; zudem mische er sich ungebührlich in die Arbeit des Vereins ein. Ob und wie die Vertreter der Armee auf diese Vorwürfe reagieren, ist unklar: Das VBS hat für die entsprechende Sitzung kein eigenes Protokoll erstellt.

Armeevertreter gehen auf Vorwürfe nicht ein

Bei einer späteren Zusammenkunft am 12. Februar machten Mitglieder der ASPDG erneut Stimmung gegen den Kommandanten. Dieser habe direkten Kontakt zu den Sponsoren und Lieferanten der Patrouille aufgenommen, bemängelt ein Vorstandsmitglied. Später ist gar die Rede von einem «Dolchstoss» des Kommandanten gegen den Verein.

Von seinen Kollegen erhält Jolliet kaum Unterstützung, wie das Protokoll zeigt. Statt dem Vereinsvorstand zu widersprechen, gehen die Armeevertreter auf die teils absurd anmutenden Vorwürfe gar nicht erst ein.

Kritische Fragen kaum zu befürchten

Auch der versuchte Befreiungsschlag von Verteidigungsministerin Viola Amherd (59) gleicht eher einem Schlag ins Wasser: Mitte Juni gab sie bekannt, dass die Armee die Zusammenarbeit mit dem Unterstützungsverein beenden werde. Ab 2024 soll eine Stiftung ihre Aufgaben übernehmen. Bis dahin tritt eine Übergangslösung in Kraft, in der ausgerechnet Fabrice Favero, Ex-Präsident des Unterstützungsvereins, eine Hauptrolle spielen wird – jener Mann also, der für eine Ausgabe alleine über 370'000 Franken abkassierte.

Favero wird Teil des Lenkungsausschusses sein. Dies, um den «bestmöglichen Übergang» für die Organisation der Patrouille 2022 sicherzustellen, wie der Kanton Wallis mitteilt.

Kritische Fragen seitens der Armee wird Favero dabei kaum mehr fürchten müssen. Sein Gegenspieler, Kommandant Daniel Jolliet, ist nicht länger für die Patrouille verantwortlich: Vor einer Woche hat er den Bund um eine Versetzung gebeten.

Laut VBS ist dies auf «persönliche Gründe» zurückzuführen.

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