Bischof Bonnemain zum Papst-Tod
«Er gab uns den Auftrag, eine kirchliche Revolution zu organisieren»

Die Schweiz trauert um Papst Franziskus. «Er hat uns den Auftrag gegeben, eine kirchliche Revolution zu organisieren», sagt der Bischof von Chur, Joseph Bonnemain.
Publiziert: 21.04.2025 um 20:45 Uhr
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Aktualisiert: 21.04.2025 um 21:24 Uhr
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Von Hirte zu Hirte: Papst Franziskus und Bischof Joseph Bonnemain.
Foto: Getty Images

Darum gehts

  • Bischof Bonnemain erinnert sich an Papst Franziskus' Herzlichkeit
  • Franziskus gab Armen und Schwachen eine Stimme
  • Papst traf Bischof Bonnemain mehrmals und ermahnte ihn, seinen Humor nicht zu verlieren
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Raphael RauchBundeshausredaktor

Blick: Herr Bischof, Papst Franziskus ist an Ostern gestorben, dem Fest der Auferstehung. Darf man sich über diese schöne Symbolik freuen?
Bischof Joseph Bonnemain:
Ich bin einerseits niedergeschlagen – ich habe bis zuletzt gehofft, dass der Papst die Beschlüsse der Synode (Kirchenreformen, Anm. d. Red.) vorantreiben kann. Gleichzeitig freue ich mich für ihn: Wir haben am Ostersonntag gesehen, wie er leidet und wie eingeschränkt er ist. Der Tod ist für ihn eine Erlösung, für ihn haben jetzt ewige Ostern begonnen.

Sie haben Papst Franziskus mehrmals getroffen. Wie war er als Mensch?
Sehr herzlich, unkompliziert, man fühlte sich bei ihm sofort geborgen, wie bei einem Vater. Er sagte immer wieder «avanti», vorwärts, und «uscire», hinausgehen. Uns Bischöfen gab er den Auftrag, eine kirchliche Revolution zu organisieren. Er wollte, dass die Kirche kein Museum ist, sondern die Herzen der Menschen erreicht.

Brückenbauer Bonnemain

Bischof Joseph Bonnemain (76) ist Bischof von Chur GR und neuer Vizepräsident der Schweizer Bischofskonferenz. Er wurde in Barcelona (Spanien) geboren, hat eine katalanische Mutter und einen jurassischen Vater. Zuerst studierte er Medizin in Zürich, später Theologie und Kirchenrecht in Rom. Bonnemain wandelte sich vom katholischen Hardliner und Opus-Dei-Mitglied zu einer moderaten Stimme des zerstrittenen Bistums Chur. Bonnemain sieht sich als Brückenbauer und befindet sich in einer Sandwichposition: Für progressive Kreise ist er zu konservativ. Sie sehen in ihm einen Opus-Dei-Mann, der der Kirche ein freundliches Gesicht gibt, sich aber nicht gegen Rom auflehnt. Hardliner wiederum werfen ihm vor, seine strengen Ideale von einst verraten zu haben. Bonnemain verantwortet in der Schweizer Bischofskonferenz das Missbrauchsdossier.

Bischof Joseph Bonnemain (76) ist Bischof von Chur GR und neuer Vizepräsident der Schweizer Bischofskonferenz. Er wurde in Barcelona (Spanien) geboren, hat eine katalanische Mutter und einen jurassischen Vater. Zuerst studierte er Medizin in Zürich, später Theologie und Kirchenrecht in Rom. Bonnemain wandelte sich vom katholischen Hardliner und Opus-Dei-Mitglied zu einer moderaten Stimme des zerstrittenen Bistums Chur. Bonnemain sieht sich als Brückenbauer und befindet sich in einer Sandwichposition: Für progressive Kreise ist er zu konservativ. Sie sehen in ihm einen Opus-Dei-Mann, der der Kirche ein freundliches Gesicht gibt, sich aber nicht gegen Rom auflehnt. Hardliner wiederum werfen ihm vor, seine strengen Ideale von einst verraten zu haben. Bonnemain verantwortet in der Schweizer Bischofskonferenz das Missbrauchsdossier.

Welche Anekdote fällt Ihnen zu Franziskus ein?
Beim letzten Mal, als wir uns getroffen haben, sagte er: «Joseph, verliere deinen guten Humor nicht, sonst kann man nicht überleben.» Papst Franziskus hatte selbst einen guten Humor, er konnte sehr gut über sich selbst lachen.

Was bleibt von Papst Franziskus?
Papst Franziskus hat den Menschen eine Stimme gegeben, die keine haben – den Armen, Schwachen und Marginalisierten. Wenn wir uns diesen Menschen nicht zuwenden, können wir Gott nicht finden.

Wie sollte der neue Papst sein?
Einer, der keine Angst hat, vorwärtszugehen. Er sollte wie Papst Franziskus konsequent, mutig und kühn vorwärtsgehen und hinausgehen zu den Menschen. Wir brauchen keine selbstbezogene Kirche, sondern eine Kirche, die bei den Menschen ist. Und sie kann nicht bei den Menschen sein, wenn sie nicht in Gott ist.

Franziskus hatte viele konservative Kritiker. Droht der Kirche nun ein Machtkampf?
Auch die Jünger Jesu haben sich gezofft, seit dem ersten Tag der Kirche gab es Machtkämpfe – was nicht gut ist. Es geht um die Liebe Gottes und nicht um Selbstgefälligkeit und Partikularinteressen.

Franziskus hat an Ostern gesagt: «Es kann keinen echten Frieden geben ohne echte Abrüstung!» Wie soll das funktionieren: Verteidigung ohne Waffen?
Papst Franziskus war überzeugt: Mit Waffen kommt kein beständiger Frieden zustande. Die einzige Waffe, die für einen echten, dauerhaften Frieden sorgen kann, ist Bildung und Entwicklung. Wer mit blosser Aufrüstung Frieden in der Welt stiften will, täuscht sich.

Warum hat Papst Franziskus die Archive im Vatikan nicht geöffnet, obwohl es wichtig ist, Schweizer Missbrauchsfälle aufzuarbeiten?
Ich vermute, dass hier nicht der Papst das Problem war, sondern die jeweiligen Vorsteher der Vatikan-Abteilungen, also die Präfekten der Dikasterien. Der Papst wollte sich nicht über sie hinwegsetzen. Die Schweizer Bischofskonferenz wird sich weiter dafür einsetzen, dass alles ans Licht kommt.

Werden Sie zum Papst-Requiem nach Rom reisen?
Nein, ich werde im Bistum Chur für Papst Franziskus beten. Hier gibt es viel zu tun. Ich wollte zur Vereidigung der neuen Gardisten am 6. Mai nach Rom reisen, allerdings weiss ich noch nicht, ob das wie geplant stattfindet.

Darf man als Bischof einen Lieblingspapst haben?
Ja – immer den aktuellen (lacht).

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