«Vatikan versucht Gerüchte über Rücktritt zu unterdrücken»
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AP-Reporterin in Rom:«Vatikan versucht Gerüchte über Rücktritt zu unterdrücken»

Papst Franziskus schwer krank im Spital
Hinter den Kulissen im Vatikan tobt ein Machtkampf

Der Zustand des Pontifex sei nicht lebensbedrohlich, heisst es aus Rom. Im Hintergrund bringen sich seine Kritiker trotzdem schon in Stellung.
Publiziert: 22.02.2025 um 19:56 Uhr
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Aktualisiert: 22.02.2025 um 22:14 Uhr
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Menschen aus aller Welt beten vor dem Gemelli-Krankenhaus in Rom für Papst Franziskus.
Foto: keystone-sda.ch

Auf einen Blick

  • Papst Franziskus liegt mit Lungenentzündung im Krankenhaus
  • Der Vatikan bemüht sich um Normalität, Papst arbeitet weiter und macht Scherze
  • Franziskus hatte 1957 eine schwere Grippe und verlor einen Teil des Lungenflügels
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Raphael RauchBundeshausredaktor

Wie geht es Papst Franziskus (88)? Seit das Oberhaupt der katholischen Kirche mit einer Lungenentzündung im Krankenhaus liegt, brodelt es in der Gerüchteküche. Liegt der Papst im Sterben? Oder tritt er zurück, weil er seine Amtsgeschäfte nicht mehr führen kann?

Wenn man dem Vatikan glaubt, ist das alles Unsinn. Laut den Ärzten des Gemelli-Krankenhauses in Rom reagiert der Pontifex gut auf die Behandlung. Allerdings könnten schon geringe Veränderungen die Lage ins Ungleichgewicht bringen. Der Papst sei nicht ausser Gefahr, sein Zustand sei jedoch nicht lebensbedrohlich. Franziskus leide an einer pulmonalen Entzündung, von der beide Lungenflügel betroffen sind. Er ist aber nicht an Apparate angeschlossen und kann selbständig atmen. Im Kopf sei der Papst wie ein 50-Jähriger, sagen die Ärzte. Er habe eine zähe Konstitution, müsse nun aber die Infektion überwinden.

Mit seiner Lunge hatte der Argentinier immer wieder Probleme. In seiner Autobiografie «Hoffe», erschienen im Januar 2025, berichtet Franziskus über eine schwere Grippe, als er 21 Jahre jung war: «Es erwischte uns alle. Aber während meine Kameraden sich nach vier oder fünf Tagen wieder erholten, ging es mir immer schlechter. Ich schwebte zwischen Leben und Tod.» Jorge Bergoglio, wie der Pontifex mit bürgerlichem Namen heisst, musste ins Spital. Die Ärzte entfernten wegen drei grosser Zysten den oberen Teil seines rechten Lungenflügels. Wie Franziskus schreibt, war sein gesundheitliches Handicap 2013 sogar Thema im Vorfeld des Konklaves.

Papst Franziskus ist in kritischem Zustand
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Der Vatikan teilt mit:Papst Franziskus ist in kritischem Zustand

«Der Papst macht Scherze»

Trotz des Ausnahmezustands bemüht sich der Vatikan um Normalität. Der Papst arbeite weiterhin, teilt Rom mit: «Er liest, unterschreibt Dokumente und macht Scherze.» Die Nummer zwei im Vatikan, Kardinal Pietro Parolin (70), sagte der Mailänder Tageszeitung «Corriere della Sera»: «Wir denken jetzt an die Gesundheit des Heiligen Vaters, an seine Genesung, an seine Rückkehr in den Vatikan: Das ist das Einzige, was jetzt zählt.»

Auch Katholikinnen und Katholiken in der Schweiz beten für die Gesundheit ihres Kirchenoberhaupts. Der Abt von Einsiedeln ist aktuell in der Ewigen Stadt. «Da es Papst Franziskus etwas besser geht, erlebe ich die Situation in Rom entspannt und von einer gewissen Zuversicht geprägt», sagt Urban Federer (56) zu Blick. «Sein unermüdlicher Einsatz für andere, selbst in Zeiten der Schwäche, ist für mich ein grosses Vorbild.» Federer suchte am Samstag den Petersdom auf, um für den Papst zu beten. «In der Krypta wird die Nähe zu den Wurzeln unserer Kirche besonders spürbar.»

Der Machtkampf um Franziskus’ Erbe hat begonnen

Der Luzerner Theologie-Professor Christian Rutishauser (59) gehört wie Franziskus dem Jesuiten-Orden an und berät den Papst in Fragen des Judentums. Rutishauser war letzte Woche mit Studierenden in Rom, doch das Angelus-Gebet am Sonntag musste entfallen – Franziskus war da bereits im Spital. «Dass sich die Amtszeit von Papst Franziskus dem Ende zuneigt, ist allen bewusst», sagt der Jesuit zu Blick. «Die Arbeit im Vatikan nimmt aber ihren normalen Lauf.»

Auch wenn unklar ist, wie es mit Franziskus weitergeht: Seine Kritiker wittern bereits Morgenluft, der Machtkampf um das Erbe des Kirchenoberhaupts hat begonnen. Der unkonventionelle Franziskus hat sich bisher vor allem mit reaktionären Katholiken angelegt. Er kritisierte Priester, die lieber Antiquitäten sammeln, als sich um ihre Gläubigen zu kümmern. Statt der einst auf Latein gehaltenen Messe bevorzugte er die Andacht in indigenen Sprachen oder auch im Dialekt; im Umgang mit Frauen, Geschiedenen und queeren Menschen in der Kirche plädierte er für einen Reformkurs und stiess damit häufig katholische Traditionalisten vor den Kopf.

«Tradition ist nicht die Anbetung der Asche»

Die machen denn auch im Hintergrund beharrlich Stimmung gegen den Papst. So zum Beispiel auf der konservativen Website collegeofcardinalsreport.com, die mögliche Nachfolger in den Blick nimmt und deren Positionen zu kirchlichen Reizthemen wie Zölibat, Frauendiakonat, Messe auf Latein oder die Segnung homosexueller Paare auf den Prüfstand stellt. An ihren Absichten lassen diese reaktionären Kräfte keinen Zweifel: Nach dem Reformer Franziskus soll wieder ein Konservativer auf den Stuhl Petri. Franziskus begegnet diesem rückwärtsgewandten Blick auf die Kirche in seiner Autobiografie trocken: «Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers.»

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