«Die Hongkonger Regierung kann die Lage meistern»
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Chinesischer Generalkonsul:«Die Hongkonger Regierung kann die Lage meistern»

Chinas Generalkonsul in Zürich im BLICK-Interview
«Trumps Schuldzuweisung ist mehr als abenteuerlich»

Das Coronavirus sei garantiert kein Laborunfall, und das harte Gesetz in Hongkong Wille der Menschen. Der chinesische Generalkonsul in Zürich, Zhao Qinghua, nimmt exklusiv im BLICK Stellung zu Vorwürfen gegen sein Land.
Publiziert: 06.07.2020 um 00:18 Uhr
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Aktualisiert: 30.10.2020 um 16:58 Uhr
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Zhao Qinghua ist seit 2018 Generalkonsul der Volksrepublik China für die Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein.
Foto: Philippe Rossier
Interview: Christian Dorer und Guido Felder

Herr Generalkonsul, was glauben Sie: Woher stammt das Coronavirus?
Zhao Qinghua
: Das wird die Wissenschaft irgendeinmal herausfinden, genauso wie einst bei HIV, Sars und Mers. Das kann aber noch viele Jahre dauern.

Was sagen Sie zur Theorie, dass es aus einem Labor in Wuhan entwichen ist?
Meinen Sie damit, dass ein bekanntes Coronavirus durch Genmanipulation im Labor auf den Menschen übertragbar und krankheitserregend wurde? Nach Einschätzungen aller führenden Wissenschaftler der Welt ist dies unmöglich. Die Genstruktur von Covid-19 kann nicht designt werden.

US-Präsident Donald Trump macht China für das Virus verantwortlich und fordert Schadenersatz in Milliardenhöhe. Wird Ihr Land zahlen?
Diese Schuldzuweisung ist mehr als abenteuerlich. Der US-Präsident sollte besser seine eigene Verantwortung wahrnehmen.

Auch europäische Länder werfen China vor, die Verbreitung zu wenig entschlossen gestoppt zu haben. Wieso hat China Wuhan abgeriegelt, aber seine Bürger weiterhin nach Europa fliegen lassen?
Am Anfang einer Epidemie ist es unmöglich, die Situation präzise einzuschätzen, insbesondere dann, wenn man die Eigenschaften des Virus noch nicht kennt. Verschiedene Länder haben ganz unterschiedlich reagiert: vom totalen Lockdown bis zur Weiterführung des Alltags. Im Nachhinein ist man immer klüger!

Der Arzt Li Wenliang hatte schon frühzeitig vor dem Virus gewarnt. Warum wurde er zum Schweigen gebracht?
Es gibt in China Gesetze, welche die öffentliche Bekanntgabe von neuen Erkrankungen mit Seuchencharakter reglementieren, um Panik zu vermeiden. Arzt Li hatte formal gegen diese Gesetze verstossen. Die lokalen Behörden haben allerdings damals die Situation in ihrer Tragweite nicht richtig eingeschätzt, wohl auch deshalb, weil die Erkrankung noch nicht bekannt war. Sie haben sich später bei Lis Familie entschuldigt.

Zur Person

Zhao Qinghua (51) ist seit 2018 Generalkonsul der Volksrepublik China für die Deutschschweiz und das Fürstentum Liechtenstein. Im Gegensatz zu einem Botschafter, der die politischen Interessen seines Landes vertritt, kümmert sich ein Konsul vor allem um die Bedürfnisse seiner Landsleute im Gastland. Zhao stammt aus der Provinz Shaanxi und hat Argrarwissenschaften studiert. Sein Spezialgebiet: Pflanzenpathologie. Vor seinem Amt in Zürich arbeitete er als wissenschaftlicher Angestellter, Referatsleiter sowie Botschaftsmitarbeiter in Deutschland. Er ist verheiratet und Vater eines Sohns.

Zhao Qinghua (51) ist seit 2018 Generalkonsul der Volksrepublik China für die Deutschschweiz und das Fürstentum Liechtenstein. Im Gegensatz zu einem Botschafter, der die politischen Interessen seines Landes vertritt, kümmert sich ein Konsul vor allem um die Bedürfnisse seiner Landsleute im Gastland. Zhao stammt aus der Provinz Shaanxi und hat Argrarwissenschaften studiert. Sein Spezialgebiet: Pflanzenpathologie. Vor seinem Amt in Zürich arbeitete er als wissenschaftlicher Angestellter, Referatsleiter sowie Botschaftsmitarbeiter in Deutschland. Er ist verheiratet und Vater eines Sohns.

Wie ist die Zusammenarbeit zwischen China und der Schweiz bei der Bekämpfung des Virus?
Die Schweizer Regierung hat in Briefen an Präsident Xi, den Staatsrat und Aussenminister Wang Yi ihr Mitgefühl ausgesprochen und medizinische Ausrüstung im Wert von 600’000 Franken zur Verfügung gestellt. Auch Schweizer Unternehmen in China haben das chinesische Volk unterstützt. Wir haben die Schweiz umgekehrt über die neusten Erkenntnisse informiert, an der Beschaffung von Schutzmaterial mitgewirkt und Spenden von chinesischer Seite koordiniert. Wir sind auch bereit, bei der Entwicklung von Arzneimitteln und Impfstoffen enger mit der Schweiz zusammenzuarbeiten.

Wie reagiert China auf die zweite Welle?
Derzeit etabliert sich eine neue Normalität mit gewissen Einschränkungen. Der Chinese ist in dieser Hinsicht sehr diszipliniert. China reagiert rasch bei jedem neuen Cluster. Zum Glück ist die Entwicklung eines Impfstoffs in China weit fortgeschritten – die dritte Phase der Erprobung wurde eingeleitet.

Was halten Sie von der Disziplin der Schweizer und vom Maskenobligatorium in Bahn und Bus?
Auch die Schweizer sind sehr diszipliniert. Leider steigt die Zahl Neuinfizierter. Es ist daher nach unserer Erfahrung absolut angepasst, dass die Schweiz die Maskenpflicht einführt.

Was hat China aus der Krise gelernt?
Wir müssen neue Viren noch schneller erkennen und verstehen. Dazu braucht es mehr Investitionen in die Wissenschaft, ein besseres Gesundheitssystem und mehr internationale Zusammenarbeit.

China hat Jahrzehnte des permanenten Wachstums hinter sich. Rechnen Sie mit Unzufriedenheit und Protesten, wenn es nicht mehr aufwärtsgeht?
Wenn sich die wirtschaftliche Situation verschlechtert, kommt Unzufriedenheit auf. Das wäre in China nicht anders als in der Schweiz. Sollten in einigen Sektoren stärkere Beeinträchtigungen auftreten, wäre die Regierung in der Lage, gezielt Hilfen zu organisieren. Das chinesische Volk vertraut seiner Regierung, besonders in Zeiten der Not.

Wann werden wieder chinesische Touristen in die Schweiz reisen?
Nach der Überwindung der Epidemie! Der Chinese ist sehr vorsichtig und auf Sicherheit bedacht. Nach Corona wird die Reiselust aber sicher wieder stark zunehmen, und die Schweiz wird als Destination vorne dabei sein.

Das Verhältnis zwischen China und den USA ist schlecht wie lange nicht mehr. Droht ein bewaffneter Konflikt?
China will Konflikte vermeiden und setzt sich für gegenseitigen Respekt und eine Win-win-Zusammenarbeit mit den USA ein. China war und ist immer bereit, ein Bewahrer des Weltfriedens zu sein, einen Beitrag zur globalen Entwicklung zu leisten und die internationale Ordnung aufrechtzuerhalten.

Wegen Trump hätte China die grosse Chance gehabt, sich mit Europa zu verbünden. Warum tut China alles, um die Welt zu verärgern – Stichwort Uiguren, Hongkong, Überwachungssystem?
Wie lange es dauert, eine Verständigung zwischen Völkern zu erreichen, sehen Sie an der Geschichte Europas. Die Verständigung zwischen Europa und China steckt noch immer in den Kinderschuhen. Es fehlt nach unserer Einschätzung im Westen immer noch die Bereitschaft für gegenseitiges Verständnis, an Information und an Kenntnis der Verhältnisse in China.

Wir verstehen zum Beispiel nicht, warum China Hunderttausende Uiguren gefangen hält.
Man müsste sich verschiedene Fragen stellen. Wie ist ihre Geschichte? Was ist mit der separatistischen Unabhängigkeitsbewegung, die von einem eigenen muslimischen Staat Ostturkestan träumt? Wer kennt die unzähligen Terrorakte dieser Gruppierung, die auch von anderen Regierungen als Terrororganisation eingestuft wird und die enge Verbindungen zu den Taliban, der Al Kaida und dem Islamischen Staat unterhält?

Die Uiguren sind doch nicht alle Terroristen.
Wir senden niemanden, der sich an die Gesetze hält, in ein Berufsbildungszentrum …

Das sind keine Berufsbildungszentren, sondern Straflager.
Das sind keine Lager. Diese Einrichtungen sind da, damit sich diese Menschen auf eine bessere, stabile Zukunft vorbereiten können.

Der zweite Hotspot ist Hongkong. Wieso hat die Regierung Angst vor mehr Mitbestimmung seiner Bürgerinnen und Bürger?
Zuerst ist wichtig zu wissen: Der Kolonialismus Grossbritanniens ist für die aktuelle Situation verantwortlich. Hongkong ist ein britisches Kolonialrelikt, das nach 100 Jahren vertragsgemäss an China zurückgegangen ist. Die friedliche Äusserung demokratischer Forderungen ist garantiert, aber nur im gesetzlichen Rahmen und ohne Beeinträchtigung der Rechte anderer.

Die demokratischen Rechte werden eben gerade nicht garantiert: Das neue Sicherheitsgesetz schränkt die Rechte der Opposition massiv ein und sieht drastische Strafen vor.
Die Situation machte es unumgänglich, ein Rechtssystem und Durchsetzungsmechanismen einzuführen, um die nationale Sicherheit in Hongkong zu wahren. Die Gesetzgebung entspricht den Wünschen der Menschen nach Sicherheit und Unversehrtheit.

Nochmals: Warum überlässt China Hongkong nicht einfach mehr Selbstbestimmung?
Genau das tut China: Nachdem Hongkong 1997 nach China heimkehrte, trat es in die Ära «ein Land, zwei Systeme» ein und «Hongkonger regieren Hongkong». Das kapitalistische System, die kapitalistische Lebensweise und die wesentlichen Gesetze blieben unverändert. Hongkong übt seither ein hohes Mass an Autonomie aus.

Wird China militärisch einmarschieren, wenn die Demonstrationen weitergehen?
Ich bin voller Zuversicht, dass die Hongkonger Regierung die Lage meistern kann. Ich möchte allerdings betonen, dass die Zentralregierung nicht tatenlos zusehen würde, sollte die Lage der Kontrolle der lokalen Regierung entgleiten.

China installiert derzeit Hunderte Millionen Kameras für die Gesichtserkennung. Warum überwacht die Regierung ihre Bürger?
Das macht sie nicht generell. China hat an relevanten Stellen Überwachungsgeräte installiert und untersucht das Internet nach bestimmten Schlüsselwörtern und Algorithmen, um die nationale Sicherheit zu gewährleisten und Terrorismus zu verhindern.

Gibt es in China keinen Datenschutz?
Die chinesische Regierung legt grossen Wert auf Datenschutz. Sie hat auch eine Reihe von Verordnungen zum Schutz der persönlichen Daten erlassen. Der Bürger ist allerdings nicht dagegen, wenn seine persönlichen Daten zum Schutz der ganzen Gesellschaft gesammelt werden. In der Bevölkerung besteht ein anderes Bewusstsein für Datenschutz als im Westen. Es geht um Schutz für das Gemeinwohl, das im Endeffekt die individuelle Sicherheit erhöht.

Ein Schweizer wurde kurz vor seinem Rückflug am Flughafen von Shanghai herausgepickt und gebüsst. Eine Kamera hatte ihn Tage zuvor erfasst, wie er bei Rot die Strasse überquert hatte. Finden Sie das nicht krass?
Wenn man in ein anderes Land geht, muss man die da herrschenden Regeln gut lernen. Das machen auch die Chinesen in der Schweiz. Natürlich könnte es auch Missverständnisse geben.

Halten Sie das chinesische System für ein gutes Regierungssystem?
Die jetzige Staatsform ist verantwortlich für den enormen Fortschritt und die Befreiung von 750 Millionen Bürgern aus der Armut. Unsere Landsleute sind mit der aktuellen Staatsform ihres Landes sehr zufrieden. In unserer 5000 Jahre alten Kultur, vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, haben wir ganz verschiedene Systeme ausprobiert. Es hat länger gedauert, bis wir den richtigen Weg gefunden haben, als in der Schweiz, die sich ja 1848 für ihre aktuelle Staatsform entschieden hat.

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